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„Wir werden Erfolg haben“
In Bremen schicken sich am Sonntag die AfD unter Christian Schäfer und Bürger in Wut unter Jan Timke an, in die Bürgerschaft einzuziehen. Welche der beiden bürgerlichen Formationen wird das Rennen machen? Oder könnte es am Ende für beide nicht reichen?
Moritz Schwarz

Herr Schäfer, scheitert die AfD in Bremen an den Bürgern in Wut (BIW)?

Schäfer: Nein, wie kommen Sie darauf?

Wird es am Wahlabend eng, könnte das Ihnen fehlende Prozent bei BIW sein.

Schäfer: Oder bei CDU, FDP oder SPD. Ich sehe keine besonderen Ähnlichkeiten zwischen AfD und BIW.

Sie gelten beide als bürgerliche Alternative zu den Etablierten.

Schäfer: Nicht nur AfD und BIW, auch andere Gruppierungen wie Piraten, Tierschützer oder „Die Partei“ bieten sich als Alternative zu den Etablierten an. Wir wollen aber Zukunft aktiv gestalten.

Eine Einigung mit BIW hätte Sie immerhin von einem Konkurrenten befreit.

Schäfer: Tatsache ist, niemand von denen ist je deshalb an mich herangetreten.

BIW-Chef Jan Timke wirft Ihnen vor: Weil „die AfD von Beginn an klargemacht hat, daß sie daran nicht interessiert ist“.

Schäfer: Wie hätte so eine Einigung denn bitte aussehen sollen? Zumal, wie gesagt, wir mit BIW nicht mehr gemein haben als mit jeder anderen Partei.

Sie üben beide Kritik an der Euro-Rettung, an der Massenzuwanderung, an „Multikulti“ oder der Politischen Korrektheit, um nur einige Übereinstimmungen zu nennen.

Schäfer: Greifen wir das Thema Einwanderung heraus: Das eine Extrem sind da etwa die Grünen, die keine Regeln dafür wollen: Grenzen auf! Das andere Extrem sind BIW, die keine Einwanderung wollen: Schotten dicht! Die AfD ist dazwischen. Wir wollen Einwanderung, aber nach klaren Regeln: Eine vernünftige Position der Mitte!

Laut „FAZ“ haben Sie keinerlei Interesse an konservativen Wählern, sondern werben um die der FDP. Trifft das zu?

Schäfer: Nein. Tatsächlich hat die FAZ mich gefragt, ob wir mit BIW viel gemein hätten. Meine Antwort: Eher schon hätten wir etwas mit den bürgerlichen Parteien – CDU oder FDP – gemein. Das heißt aber nicht, daß wir nur nach deren Wählern schielen. Wie Sie wissen, speist sich unsere Wählerschaft aus der aller Parteien, inklusive der Nichtwähler. Das zeigt, daß wir nicht etwa die Konkurrenz nur einer Partei sind – vor allem nicht einer Splittergruppe wie der BIW.

Wie würden Sie AfD und BIW definieren?

Schäfer: BIW ist eine Wutbürgerprotestpartei, die nur wenig Konstruktives zu bieten hat. Zudem mit sehr dünner Personaldecke. Eigentlich eine One-Man-Show, denn außer Herrn Timke sehe ich dort kaum jemanden. Und trotz all seines Engagements spielen BIW tatsächlich keine politische Rolle – und wird sie auch in Zukunft nicht spielen. Dessen sollte sich jeder bewußt sein, der BIW seine Stimme gibt. Die AfD dagegen hat das Potential, sich bundesweit als politische Alternative zu etablieren. Ich sehe sie als eine Kraft, die sich aus der Kritik an ideologischen Blockaden heraus gegründet hat – als Partei des gesunden Menschenverstandes eben.

Die AfD Bremen liegt in den Umfragen bei fünf Prozent, eine Zitterpartie.

Schäfer: Nachdem es zu Beginn des Jahres für uns in der Tat noch schwierig aussah, dreht sich inzwischen der Wind. Wir haben mit steigender Tendenz nun die fünf Prozent erreicht, und ich bin zuversichtlich, daß uns dieser Aufwärts-trend auch noch weiter tragen wird.

Mit wieviel Prozent rechnen Sie?

Schäfer: Auf jeden Fall über fünf Prozent. Wir wissen ja von anderen Landtagswahlen, daß die AfD immer besser abgeschnitten hat, als sie zuvor veranschlagt war. Sollten wir sechs Prozent schaffen, können wir stolz sein. Man muß bedenken, daß Bremen ein schwieriges Pflaster ist. Hier dominiert Rot-Grün, und wenn die Bremer CDU auf zwanzig Prozent kommt, jubiliert sie – was für die Union anderswo eine Niederlage wäre.

So hat bei der Wahl im Februar auch die Hamburger AfD argumentiert. Einige Parteifreunde haben allerdings kritisiert, mit konservativerem Kurs wäre mehr zu holen gewesen. Müssen Sie sich diesen Vorwurf bald auch gefallen lassen, vor allem wenn Sie die fünf Prozent doch verfehlen sollten?

Schäfer: Wir haben Bremer Bürger, die sich grundsätzlich vorstellen können AfD zu wählen, es aber dennoch nicht tun, nach ihren Gründen dafür befragt. Auf Platz eins – mit fast fünfzig Prozent: Die AfD wirke zu weit rechts. Fazit: Wir können hier keinen sächsischen Wahlkampf machen! Wer das nicht kapiert, wird in einer Stadt wie Bremen keinen Erfolg haben. Ein Beispiel dafür, wie „weit“ man mit dieser Strategie kommt, ist übrigens BIW: Da ist bei der Drei vor dem Komma dann eben Schluß.

Inzwischen ist die AfD von Flügelkämpfen erschüttert. Wird dieser Streit Sie den Wahlerfolg kosten?

Schäfer: In der Tat wurde auch dies häufig als Kritikpunkt von unseren potentiellen Wählern geäußert: Die AfD sei zu zerstritten. Ich glaube nicht, daß es uns den Wahlerfolg kosten wird, aber es ist ein Problem. Im übrigen würde ich nicht von einem Flügelstreit sprechen. Denn ich sehe keine Frontstellung Liberale contra Konservative, wie das gern dargestellt wird. Ich glaube, zur AfD gehören beide Strömungen. Ich meine vielmehr, es geht hier zum einen um die notwendige Abgrenzung zu Ideen, die jenseits des demokratischen Grundkonsenses und unserer politischen Leitlinien stehen und zum Teil von außen in unsere Partei getragen werden, wie zum Beispiel die Idee einer ethnischen Homogenität. Zum andern geht es um Leute, die persönlich einfach nicht miteinander können.

Offenbar ist Parteichef Lucke da anderer Meinung. Er sieht durchaus eine ideologische Kluft zu Landeschefs wie Alexander Gauland oder Björn Höcke. Gauland etwa wirft er die „Entbürgerlichung“ der Partei vor.

Schäfer: Ich glaube, zumindest hinter dem Konflikt mit Gauland steht vielmehr ein strategisches als ein ideologisches Moment. Gauland kommt bei der Frage, wer die AfD wählt, einfach zu einem anderen Ergebnis als Lucke: nämlich die sogenannten kleinen Leute.

Zum ersten Mal ist die Bundespartei in einigen Umfragen unter die Fünfprozentmarke gefallen. Könnte das für Sie auf den letzten Metern noch zum Problem werden?

Schäfer: Ich betrachte die Forsa-Umfrage als einen Ausreißer – Forsas Zahlen sind immer sehr speziell, was die AfD angeht. Hier in Bremen sehen uns ARD und ZDF aktuell bei fünf Prozent, und wir konzentrieren uns auf die Thematisierung der drängenden Aufgaben in unserem Bundesland, statt an den Hahnenkämpfen auf Bundesebene teilzunehmen. Ich bin sicher, daß der Wähler das honoriert und wir Erfolg haben werden.

Christian Schäfer, ist Landeschef und Spitzenkandidat der AfD in Bremen. Der Innenarchitekt, der heute Yachten gestaltet, wurde 1963 in Detmold geboren und kam 1995 nach Bremen.

Herr Timke, scheitert die AfD in Bremen an den Bürgern in Wut (BIW)?

Timke: Nein, die AfD wird an der AfD scheitern.

Inwiefern?

Timke: Was Deutschland braucht, ist eine konservative Partei. Die AfD ist das – wegen ihres starken liberalen Flügels – sicherlich nicht. Zudem hat sie in Bremen einen besonders liberalen Landesverband. Dessen Spitzenkandidat nennt Deutschland etwa ein Einwanderungsland und will laut FAZ gar nicht um konservative Wähler werben, sondern buhlt statt dessen um die der FDP.

Er sagt, er sei von der „FAZ“ falsch wiedergegeben worden.

Timke: Wenn tatsächlich falsch berichtet wurde, warum hat Herr Schäfer dann noch keine Richtigstellung bei der FAZ erwirkt?

Sie betrachten die AfD also nicht als Konkurrenz?

Timke: Nein, denn wir sprechen dezidiert konservative Wähler an, die etwa in puncto innere Sicherheit oder Zuwanderung nach klaren Lösungen verlangen.

Im Herbst waren Sie noch zu einer Zusammenarbeit mit der AfD bereit.

Timke: Richtig ist: Ich war zu Gesprächen bereit, die klären sollten, ob es eine Zusammenarbeit geben könnte. Immer vorausgesetzt, es gäbe ausreichend inhaltliche Übereinstimmungen. Die AfD hat aber von Beginn an klargemacht, daß sie nicht einmal daran interessiert ist. Als BIW-Mitglieder der AfD vor der letzten Bundestagswahl halfen, Unterstützungsunterschriften zu sammeln, kam vom Landesvorstand zudem die Anweisung: Keine Hilfe von BIW annehmen und Abstand von deren Mitgliedern halten!

AfD-Landeschef Schäfer sagt, von einer solchen Direktive wisse er nichts.

Timke: Das wundert mich, zumal er bereits damals Mitglied im Bremer Landesvorstand war. Und dieser hat später noch einmal einstimmig beschlossen, daß es keine Zusammenarbeit mit BIW geben wird.

Allerdings liegt die AfD in den Umfragen bei fünf Prozent, Bürger in Wut dagegen bei nur drei.

Timke: Die AfD wird, wie gesagt, den Einzug verpassen.

Zweckoptimismus?

Timke: Nein, Ergebnis folgender Berechnung: Die AfD wird in linken Stadtteilen traditionell schwach abschneiden. In sozialen Brennpunkten jedoch auch, weil da schon die Bürger in Wut stark gewählt werden. Dadurch wird die AfD die Fünfprozenthürde nicht überspringen.

Wenn die Prozente für BIW die AfD ausbremsen, dann dürfte sie schon in den Umfragen nicht bei fünf Prozent liegen.

Timke: Moment: Vor der Bürgerschaftswahl 2011 wurden wir in Umfragen nicht genannt, da angeblich kein meßbares Ergebnis für uns vorlag. Die FDP lag in diesen Umfragen bei drei bis vier Prozent. Am Wahltag hatten wir dann 3,7, die FDP nur 2,4 Prozent. Das Beispiel zeigt doch, wie ungenau die Wahlumfragen für die BIW sind.

Jetzt liegt BIW in den Prognosen bei nur drei Prozent, also sogar unter dem Wahlergebnis von 2011.

Timke: Ich bin sicher, daß wir in den Umfragen zu niedrig bewertet werden. Und ich glaube, daß wir am Wahltag der Überraschungssieger sein werden.

Mit wieviel Prozent rechnen Sie?

Timke: Ich rechne mit sechs Prozent für die Bürger in Wut.

Bitte?

Timke: Sechs Prozent.

Das ist doch völlig unrealistisch.

Timke: Nochmal: 2011 spielten wir laut Umfragen keine Rolle, dennoch haben sich 3,7 Prozent der Wähler für uns entschieden. Jetzt liegen wir bei mindestens drei Prozent – und unsere Wahlkampagne hat ihre Wirkung noch gar nicht entfalten können, denn diese ist auf die letzten beiden Wochen angelegt. Wir werden allein in den Nordbremer Stadtteilen zweistellig werden, und das wird uns helfen, landesweit über die Fünfprozentmarke zu kommen.

Selbst wenn, werden Sie nach der Wahl parlamentarisch schwächer dastehen. Denn bisher hatten Sie von Abgeordneten profitiert, die von SPD und CDU zu BIW „übergelaufen“ waren.

Timke: Richtig, allerdings treten wir diesmal in 14 von 22 Stadtteilbeiräten an – deutlich mehr als 2011. In jeden Beirat werden wir einen, in manchen zwei Mandatsträger entsenden und damit mehr kommunale Sitze haben als jetzt.

Empfinden Sie den Wahlkampf als fair?

Timke: Ganz und gar nicht! Massenweise werden unsere Plakate zerstört oder gestohlen. Auffallend ist, daß dort, wo das passiert, gleichzeitig besonders viele Aufkleber der Jugendorganisation der Linken, Solid, auftauchen. Die führende Bremer Tageszeitung Weser-Kurier bringt zudem Interviews zur Wahl mit allen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – sogar mit FDP und AfD, die beide nicht im Landtag sind. Uns hingegen verschweigt man! Wir haben dagegen bei der Chefredaktion protestiert, ohne Erfolg. Überdies werden wir zu Wahlveranstaltungen an Schulen nicht eingeladen. Begründung: BIW habe in der Bürgerschaft nur Gruppenstatus und eingeladen würden nur Fraktionen. Formal richtig, tatsächlich jedoch ein Vorwand, uns auszugrenzen. Immerhin konnten wir uns dagegen in einigen Fällen wehren.

Ihr Wahlplakat „Vollzug statt schöner Wohnen“ hat von der Linken bis zur CDU für Empörung gesorgt. Vorgeworfen wird Ihnen „Rassismus“ und „Menschenfeindlichkeit“.

Timke: Dazu muß man wissen, daß dreißig Prozent aller Jugendstraftaten in Bremen von sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen begangen werden, die sich ohne Eltern in Deutschland aufhalten. Auf dem Plakat geht es nicht um Ethnien, sondern um straffällige Heranwachsende, für die wir eine geschlossene Heimerziehung fordern, um pädagogisch auf diese einwirken zu können. Was daran rassistisch oder menschenfeindlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Zumal wir diese Forderung schon seit 2007 im Programm haben. Natürlich ist unsere Forderung mit dem Spruch „Vollzug statt schöner Wohnen“ zugespitzt dargestellt – es handelt sich schließlich um ein Wahlkampfplakat.

Das sie vor einem Asylbewerberheim aufgehängt haben. Ist das also nicht in der Tat eher eine Provokation als Wahlwerbung?

Timke: Erstens ist das nicht einfach „ein Asylbewerberheim“, sondern das offene Heim für kriminelle Jugendliche. Zweitens haben wir das Plakat nicht nur vor dieser Einrichtung, sondern in ganz Bremen Nord aufgehängt. Zudem: Inzwischen hat die Bürgerschaft einen Antrag von SPD und Grünen einstimmig beschlossen, der genau beinhaltet, was wir seit Monaten fordern: Intensivbetreuung in geschlossener Heimunterbringung.

Was, wenn Sie Ihr Ergebnis verfehlen?

Timke: Wir kämpfen weiter! Aber ich bin sicher, wir werden Erfolg haben.

Jan Timke, ist Vorsitzender von Bürger in Wut (BIW) und seit 2008 Abgeordneter der Bremer Bürgerschaft. Geboren wurde der ehemalige BKA-Beamte 1971 in Hoya bei Nienburg/Weser.