© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Frisch gepresst

Kriegsenkel. Geboren zwischen 1955 und 1965, dürften diese Jahrgänge eigentlich kein Recht haben, sich als „Kriegsenkel“ zu empfinden. Und doch drängen diese Alterskohorten seit einiger Zeit in die Öffentlichkeit, weil sie überzeugt sind, ihre Jugend sei von den Spätfolgen des Zweiten Weltkrieges geprägt worden. Daß eine solche Opfererfahrung tatsächlich die Kollektivpsyche einer Generation geformt haben könnte, leuchtet unmittelbar ein, wenn man in dem von Michael Schneider und Joachim Süss herausgegebenen Band über die „Kriegsenkel“ gerade jene autobiographischen Berichte liest, die von Kindern stammen, deren Eltern 1945 aus den deutschen Ostprovinzen vertrieben wurden. Sie formulieren auch präziser, welche seelische Last sie übernommen haben. Spricht Süss, befangen im Narrativ der „beschwiegenen“ NS-Zeit, enigmatisch davon, „im Nebel“, ohne „tiefere Geschichte“ aufgewachsen zu sein, meint Gabriele Pauls-Reitze, Vater und Mutter aus Danzig, zutreffender, ihr sei generationstypisch ein Zuviel an Geschichte zugemutet worden. Man habe das Vertriebenenschicksal, den Schmerz um den Heimatverlust mitgetragen und sich daher zeitlebens „fehl am Platze in der eigenen Welt“ gefühlt. (ob)

Michael Schneider, Joachim Süss (Hrsg.): Nebelkinder. Kriegsenkel treten aus dem Traumaschatten der Geschichte, Europa Verlag, Berlin 2015, 383 Seiten, 19,99 Euro


Preußen. Einen bunten Strauß von Aufsätzen zur politischen, zur Kultur-, Sozial-, Rechts- und Militärgeschichte Preußens vereinigt der Herausgeber Jürgen W. Schmidt für die Schriftenreihe des Remscheider Preußeninstituts. Daß es sich dabei vorwiegend nicht um antiquarische Geschichtsforschung handelt, macht schon der erste, den eigentümlichen „Toleranz“-Begriff analysierende Beitrag Wolfgang Kaufmanns über „Preußen und der Islam“ deutlich. Ebenso klärt Rolf Sauerzapf in einer Miszelle zum „Ökumene“-Verständnis Friedrich Wilhelms IV. über einen anderen, heute kinderleicht demagogisch einsetzbaren Begriff auf. Auch Albrecht Jebens gelingt mit seinem Rückblick auf den Frieden von Hubertusburg (1763), der den Siebenjährigen Krieg beendete, ein Brückenschlag ins 20. Jahrhundert, dessen Staatslenkern die damals virtuos beherrschte Kunst des Friedenschließens offenbar ein Buch mit sieben Siegeln ist. (dg)

Jürgen W. Schmidt (Hrsg.): Preußen als Lehre für unsere Gegenwart. Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2015, broschiert, 225 Seiten, 19,80 Euro