© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Theorien über die Schuttberge nach 1945: Kratzen am Mythos Trümmerfrau
Mit schwerem Gerät statt Eimerketten
(ht)

Die „Trümmerfrau“ steht im kollektiven Gedächtnis der Deutschen als Symbol für die Nachkriegszeit und ist aufs engste mit anderen Erzählungen wie „Währungsreform“, „Wirtschaftswunder“ oder „Wunder von Bern“ mit dem BRD-Gründungsmythos verwoben. Mit der historischen Wahrheit, so versichert die Zeithistorikerin Leonie Treber (TU Darmstadt), habe die symbolträchtige Legende gleichwohl wenig zu tun (Aus Politik und Zeitgeschichte, 16–17/2015). In nennenswerter Zahl kamen Frauen bei der Trümmerräumung in den westlichen Besatzungszonen gar nicht zum Einsatz, ausgenommen in West-Berlin. Zudem hätten NS-Organisationen wie Reichsarbeitsdienst und Hitlerjugend mit Unterstützung von Zwangsarbeitern während des Bombenkrieges die größten Schäden beseitigt, um das Zivilleben an der „Heimatfront“ aufrechtzuerhalten. Ab Sommer 1945 rückte im Westen dann schweres Gerät an, da 400 Millionen Kubikmeter Schutt nicht von Frauen mit ihren Eimerketten beseitigt werden konnten. In den Städten der späteren DDR wurde das weibliche Arbeitskräftereservoir zwar kräftiger ausgeschöpft, aber hier verwandelte sich der Mythos Trümmerfrau schnell zur Identifikationsfigur für die neue „sozialistische Frau“ mit „unbändiger Arbeitsmoral“ sowie zur „Grundsteinlegerin der Gleichberechtigung“ .

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