© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Sturmreif geschossen
Rüstungsindustrie: Die Politaffäre um das Sturmgewehr G36 macht Heckler & Koch erneut zu einem Spielball internationaler Finanzinvestoren
Christian Schreiber

Es paßt zur allgemeinen Stimmung, daß Andreas Heeschen von London aus die Parole ausgab, „daß man zurückschießen“ werde. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Mehrheitsaktionär von Heckler & Koch ist sauer. Vorige Woche hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die monatelange Diskussion um das Sturmgewehr G36 kurzerhand beendet und erklärt, die Waffe sei für die Bundeswehr schlicht ungeeignet.

Zuvor hatte ein Prüfbericht gravierende Mängel des Gewehrs behaupet. Die Spezialkräfte und Soldaten im Einsatz sollen offenbar möglichst rasch eine andere Waffe erhalten, kündigte die CDU-Politikerin an. Daraufhin ging der Waffenhersteller zum Angriff über: Es gebe „erhebliche Zweifel an der technischen Glaubwürdigkeit der Versuchsdurchführung und der hieraus abgeleiteten Schlüsse“, teilte das Unternehmen von seinem Firmensitz in Oberndorf am Neckar mit.

Eine Frage des Preis-

Leistungs-Verhältnisses

Der von den Prüfern vorgenommene Vergleich zwischen dem G36 und dem leichten Maschinengewehr HK416 der Firma sei unzulässig: „Es ist so, als wenn man nachweisen würde, daß ein handelsüblicher Pkw im Vergleich zu einem Formel-1-Fahrzeug viel zu langsam sei.“ Und Heeschen legte nach: „Was wir herstellen, ist zu 100 Prozent einsatzfähig“, sagte er der FAS. Er sei sicher, „die Wahrheit kommt ans Licht. Es kann einfach nicht sein, daß nun nach zwanzig Jahren entdeckt wird: Das Gewehr taugt nichts“. Indirekt kritisierte Heeschen auch die Bundeswehr. Heckler & Koch habe die Vorgaben genau eingehalten, aber „bei einer solchen Waffe kommt es eben auch auf das Preis-Leistungs-Verhältnis an“.

Auch wenn der Hersteller darauf hinwies, daß die Kritik der Verteidigungsministerin keinerlei Auswirkungen auf andere Kunden habe, kommt die Diskussion zur Unzeit. Denn in den vergangenen Jahren war Heckler & Koch aufgrund seiner finanziellen Lage häufiger in den Schlagzeilen. 1949 von Ex-Mitarbeitern der legendären Mauserwerke gegründet, arbeiten derzeit 645 Leute für die Firma, die nicht nur ein wichtiger Waffenlieferant für die Bundeswehr ist, sondern auch die Polizei und Nato-Staaten beliefert.

Nach den jüngsten Zahlen von 2013 setzte das Unternehmen rund 172 Millionen Euro um. Allerdings steht die Firma auch in dem Verdacht, Waffen in Krisengebiete zu liefern, wie zum Beispiel nach Libyen. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen allerdings ohne Ergebnis ein. Darüber hinaus sind G36-Gewehre der Firma in mexikanischen Unruheprovinzen aufgetaucht.

Firmeninhaber Heeschen hat stets bestritten, illegale Waffenexporte getätigt zu haben. Der Zeit erklärte er, daß „alle Exporte von Heckler & Koch folgen sicherheits- und verteidigungspolitischen Vorgaben der Bundesregierung. Die Einhaltung geltender Gesetze und unternehmerische Integrität sind gleichzeitig existentielle Grundlage und nicht verhandelbare Grundwerte.“

Der 53jährige ließ über Anwälte und ausgesuchte Medien das Gerücht streuen, es handle sich um eine gezielte Kampagne der Bundeswehr gegen sein Unternehmen. Er wisse nur, daß es so sei, aber nicht, welchen Hintergrund diese Aktion habe. Es wird kolportiert, der öffentlichkeitsscheue Milliardär sei den Mächtigen in Berlin ein Dorn im Auge. Als Investor stieg er vor mehr als zehn Jahren in die Firma ein. Die finanziellen Probleme sind geblieben.

Schon mehrfach in finanziellen Problemen

1991 stand Heckler & Koch das erste Mal vor dem Konkurs, nachdem aufgrund des Wegfalls des „Eisernen Vorhangs“ bei der Bundeswehr ein Sparkurs ausgerufen wurde und Heckler & Koch millionenschwere Aufträge abhanden kamen. Bis heute ist die Firma stark von Aufträgen der Bundeswehr abhängig. Damals verweigerte das Land Baden-Württemberg Staatshilfen, Übernahmegespräche mit einem französischen Rüstungskonzern scheiterten. Schließlich übernahm die Royal Ordnance, eine Tochter des englischen Rüstungskonzerns British Aerospace das Unternehmen. Doch eine Liebeshochzeit war es nicht, schon bald wurde über einen Verkauf an US-Firmen spekuliert.

Schließlich übernahm Immobilien-Investor Heeschen mit drei Partnern Heckler & Koch. Doch die Lage blieb ernst. 2011 machte die Firma einen Verlust von 19,5 Millionen Euro, im gleichen Jahr nahm das Unternehmen eine Anleihe über 295 Millionen Euro auf, mit einem Zinssatz in Höhe von 9,5 Prozent. Allein 32,2 Millionen Euro mußte Heckler & Koch 2012 für Kreditdienst aufbringen – bei einem Umsatz von 202,8 Millionen Euro.

Die Rating-Agentur Standard & Poor’s bewertete das Unternehmen2010 schon einmal mit Ramschniveau CCC+, Ausblick: negativ. Nicht zuletzt die teure Fremdgeldspritze hat die Zahlen wieder etwas stabilisiert. Aber die jüngste Debatte, die Heeschen als „Rufmord“ bezeichnet, könnte das Unternehmen erneut in ernste Probleme stürzen – Notverkauf nicht ausgeschlossen.

Heckler & Koch Group: www.heckler-koch.com