© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Krise der AfD
Merkel stellt den Sekt kalt
Dieter Stein

Den Rücktritt von Hans-Olaf Henkel als stellvertretendem AfD-Chef werden Historiker später als Anfang vom Ende der Partei notieren – wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Doch das Beben hatte sich seit Monaten durch tektonische Verschiebungen angekündigt. Nach einem politischen Senkrechtstart ohne Beispiel vor zwei Jahren zerbricht die AfD jetzt an inneren Widersprüchen und personellen Gegensätzen.

Die aktuellen Nachrichten, insbesondere über die Arbeit des Bundesvorstandes, bestätigen den Eindruck der dramatischen nicht nur inhaltlichen, sondern vor allem persönlichen Zerrüttung. Mit Satzungstricks, Enthüllungen aus dem Privatleben, Drohungen und Beleidigungen kämpfen rivalisierende Flügel und Akteure um die Macht. Beeindruckte die AfD zu Beginn durch eine kollegiale Führungsmannschaft, so tobt seit Monaten eine Schlammschlacht, bei der immer neue Tiefpunkte erreicht werden.

Das rasante Wachstum der Partei, die schnell aufeinanderfolgenden Wahlkämpfe und -siege stiegen vielen Akteuren zu Kopfe. Das süße Gift sprudelnder staatlicher Parteienfinanzierung, Mandate, Versorgungsposten, die Beschäftigung der Apparate mit sich selbst hat destruktive Kräfte geweckt. Gleichzeitig hatte die Partei parallel zum Wachstum nicht ausreichend Zeit und Energie, programmatische Klarheit zu schaffen. Das rächt sich jetzt.

Ein liberal-konservativer Flügel gruppiert sich um Bernd Lucke, der seinen Rückhalt in der Partei schwinden sieht. Ein zweiter eher nationalkonservativ-liberaler Flügel sammelt sich um Frauke Petry und ein dritter um den Thüringer Landeschef Höcke, der die Partei jedoch noch weiter nach rechtsaußen in eine Sackgasse führen möchte.

Besonders bei der Höcke-Gruppe sind Akteure einer „Rechten“ am Werk, die keinen Ruf zu verlieren haben und denen es gleichgültig ist, ob sich die AfD durch einen Rechtsruck und die Aufgabe des liberalen Flügels an den Rand des diskutablen politischen Spektrums manövriert. Vorneweg Lucke ist nicht bereit, die bürgerliche Fassade für eine sich aus seiner Sicht radikalisierende Partei abzugeben.

Wenig deutet darauf hin, daß es jenseits einer notwendigen Abgrenzung nach rechtsaußen noch zu einem „historischen Kompromiß“, einer Koalition der Vernunft zwischen den eigentlichen Integrationsfiguren Lucke und Petry kommt. Es ist kein Brückenbauer in Sicht. Alles läuft auf den knappen Pyrrhussieg einer Seite hinaus – und eine folgende Spaltung der AfD. Der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist aufgebraucht. Während die Eurokrise neuen Höhepunkten entgegeneilt und es die Stunde einer politischen Alternative wäre, manövriert sich die AfD systematisch ins Aus. Im Konrad-Adenauer-Haus läßt Angela Merkel schon einmal den Sekt kaltstellen.