© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

CD-Kritik: Berlioz
Ich-Religion
Sebastian Hennig

Die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz ist eine hohe Messe des romantischen Geniekults. Das 1830 entstandene Werk gilt als erste Programmusik. Die monumentale sinfonische Dichtung hebt an mit den Träumen und Leidenschaften eines jungen Musikers, verweilt auf einer Ballnacht in Verehrung der Geliebten, flüchtet sodann in den Frieden der ländlichen Natur und gipfelt in dem „Traum einer Sabbatnacht“. Im Schmerz seiner unerfüllten Liebe hat sich das verkannte Genie etwas halbherzig mit Opium vergiftet. Statt des Todes erwartet ihn ein wüstes Blendwerk der Hölle.

Jene Selbstüberhebung, die Richard Strauss Jahrzehnte später in der Tondichtung „Ein Heldenleben“ begeht, wirkt vergleichsweise bescheiden gegen den klirrenden Weihrauch des Franzosen. Die Ich-Religion dieses Werkes ist ein gebieterischer Monotheismus, der keinen anderen Gott neben sich duldet. Von diesem egozentrischen Fanatismus erlöst allein die zauberhafte Instrumentierung. Und die Zürcher Philharmonie unter Fabio Luisi läßt alle Orchesterfarben dieses irrsinnigen Werkes aufflackern. Es wird poliert und geläutert. Dieser Wohlklang versöhnt mit der künstlerischen Willkür, und die Überspanntheit wird wieder spannend. Die Kunst kennt eben andere Gesetze als das Leben. Da wird selbst die Anmaßung in maßvolle Form geläutert.

Berlioz Symphonie fantastique Fabio Luisi Philharmonia Zürich Phr (Harmonia Mundi) www.philharmonia-record.ch