© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Kreative Buchführung
Euro-Krise: Europäische Zentralbank finanziert griechische Pleitebanken, um einen Staatsbankrott weiter hinauszuzögern
Thorsten Polleit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) unterstützt Griechenland mit „Hilfskrediten“, so ist in den Medien zu hören und zu lesen. Doch das ist aus zwei Gründen irreführend. Erstens: Die Kredite des IWF helfen nicht der griechischen Bevölkerung. Sie werden dazu verwendet, um fällige Zins- und Tilgungszahlungen an Griechenlands Gläubiger zu überweisen.

Bis zu den diversen „Euro-Rettungsmaßnahmen“ ab 2010 waren es vor allem ausländische Finanzinstitute und internationale Investoren, die griechische Staatspapiere hielten. Inzwischen sind es nun die Euro-Länder (Stichwort: Rettungsschirm ESM) und der IWF selbst. Die öffentlichen Kredite, die Griechenland gewährt werden, verschleiern folglich den eingetretenen Kreditausfall Griechenlands in der Öffentlichkeit. Griechenlands Zahlungsausfall wäre politisch höchst peinlich für die Geberstaaten, er würde möglicherweise auch das Auseinanderbrechen des Euro-Währungsraumes einläuten.

Die Euro-Steuerzahler

müssen die Zeche zahlen

Zweitens: Der IWF ist zwar formal der Kreditgeber, de facto sind es aber die Bürger der IWF-Mitgliedsländer, die ins Obligo genommen werden. Der IWF selbst hat nämlich kein Geld, das er verleihen kann. Er beschafft es sich von seinen Mitgliedern, die entsprechend der Höhe ihrer „IWF-Quote“ geradestehen müssen. Er klopft beispielsweise bei der Deutschen Bundesbank an und fordert einen Geldbetrag in US-Dollar. Die Bundesbank muß daraufhin Teile ihrer Dollar-Guthaben an den IWF überweisen. In letzter Konsequenz sind es die nationalen Steuerzahler, die ein Kreditrisiko eingehen: Fällt der IWF-Kredit aus, kommt der Verlust bei der Bundesbank an und geht letztlich zu Lasten des Steuerzahlers.

Die ausstehenden IWF-Kredite an Griechenland belaufen sich auf 30 Milliarden Euro. Die Deutschen haben davon vermutlich mindestens 1,8 Milliarden Euro beigesteuert. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Denn auch die Euro-Länder haben Griechenland Geld geliehen, und zwar insgesamt 210 Milliarden Euro. Hinzu kommt die Europäische Zentralbank (EZB), die vermutlich etwa 100 Milliarden Euro an Griechenland gegeben hat. Nicht zu vergessen sind dabei die von Hans-Werner Sinn (JF 44/12) ausführlich beschriebenen „Target-II-Salden“: Griechenland steht hier mit 96,4 Milliarden Euro in der Kreide. Stellt Griechenland alle Zahlungen ein, würde die „Rettungspolitik“ der Bundesregierung den Deutschen einen Verlust von schätzungsweise 124 Milliarden Euro bescheren; das wären etwa fünf Prozent der deutschen Jahresproduktion. Selbst bei einem teilweisen Bankrott wäre der Verlust also noch gewaltig.

Im April hat Griechenland nun fristgerecht 450 Millionen Euro an den IWF zurückgezahlt. Woher kommt das Geld? Angesichts der leeren Staatskassen ist zu vermuten, daß es von den griechischen Banken stammt. Sie werden nämlich von der EZB durch sogenannte ELA-Notkredite (Emergency Liquidity Assistance) über Wasser gehalten und können daher der griechischen Regierung mit neuen Krediten aushelfen. Wenn das der Fall wäre – und die Vermutung ist durchaus plausibel –, dann handelt es sich um eine Finanzierung des griechischen Staates durch die elektronische Notenpresse: Die Griechen bestreiten ihre Zahlungen an den IWF mit neu geschaffenen Euro, mit Duldung der EZB und ihrem Chef Mario Draghi, einem ehemaligen Goldman Sachs-Vizepräsidenten. Dahinter verbirgt sich weit mehr als nur ein Fauxpas, um den internationalen Kreditgebern unter die Arme zu greifen.

Eine Finanzierung Griechenlands mit der elektronischen Euro-Notenpresse zeigt unmißverständlich, wohin die Entwicklung geht: daß man nämlich die Geldmengenvermehrung längst als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels ansieht und akzeptiert hat.

Wenn es gilt, zwischen dem Zahlungsausfall von Staaten und Banken oder einer Inflationspolitik zu wählen, wird letzteres gewählt. Angesichts einer solchen Gesinnung in den Regierungen und Zentralbanken müssen Sparer und Investoren in der Tat weniger Sorge vor Zahlungsausfällen haben. Sie müssen vielmehr fürchten, daß sie ihr verliehenes Geld in Form von neuem, „aus dem Nichts“ geschaffenem Geld, also entwertetem Geld, wiederbekommen. Das, was man jetzt Griechenland erlaubt, hat längst Schule gemacht.

Sinkende Euro-Kaufkraft, Entwertung der Ersparnisse

Andere hoch verschuldete Euro-Staaten und -Banken bedienen sich bereits ebenfalls hemmungslos der elektronischen Notenpresse. Nichts anderes besagt die Entscheidung der EZB, Anleihen im großen Stil aufzukaufen. Beschönigend und vernebelnd wird diese Politik als „monetäre Lockerung“ (quantitative easing) bezeichnet. Hinter „QE“ verbirgt sich jedoch nichts anderes als eine Politik, die die Kaufkraft des Euro und damit auch alle in Euro ausgewiesenen Ersparnisse entwerten wird.

Die ersten Zeichen dafür sind die steigenden Aktienkurse, Immobilienpreise und natürlich auch der Verfall des Euro-Wechselkurses. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Geldentwertung auch in den Lebenshaltungskosten zeigt. Rückblickend wird man vielleicht einmal sagen, daß Griechenland den Euro-Kollaps ausgelöst hat, daß er aber ohnehin früher oder später gekommen wäre.

Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Chefökonom von Degussa Goldhandel und Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland.

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