© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Frühlingserwachen an der Weser
AfD: In einem schwierigen Umfeld und begleitet von parteiinternem Störfeuer starten die Bremer Euro-Kritiker in die heiße Phase des Wahlkampfes
Marcus Schmidt

Christian Schäfer ist nicht zu beneiden. Als Spitzenkandidat der AfD kämpft er derzeit um den Einzug der Partei in die Bremer Bürgerschaft bei der Wahl am 10. Mai. Kein leichtes Unterfangen für eine junge Partei in der seit Jahrzehnten von der SPD geprägten Stadt.

Und dann ist da ja auch noch die Bundespartei. Seit Wochen liefert der Richtungsstreit innerhalb der AfD Negativschlagzeilen. Nicht das, was sich Wahlkämpfer in einem sowieso schon schwierigen Umfeld wünschen. Auch aus den anderen Landesverbänden kommen derzeit kaum gute Nachrichten. In Hessen etwa haben die Mitglieder am Wochenende den kompletten Parteivorstand um AfD-Sprecher Konrad Adam gestürzt. Doch Schäfer bleibt gelassen. „Ich gucke da gar nicht mehr hin“, sagt der 51 Jahre alte Unternehmer. Im Bremer Wahlkampf schlage sich der Richtungsstreit in der Partei nicht nieder. „Gestern war Frauke Petry da, zwei Tage vorher Hans-Olaf Henkel“, sagt Schäfer. Nach der Wahl in Hamburg Anfang Februar hatten vor allem die konservativen AfD-Verbände im Osten den Wahlkampf in der Hansestadt als zu weich kritisiert. Dadurch sei die AfD unter ihren Möglichkeiten geblieben. Diesem Vorwurf will sich Schäfer nicht aussetzen. Anders als in Hamburg wurden mit AfD-Sprecherin Petry und Parteivize Alexander Gauland auch Vertreter des nationalkonservativen Parteiflügels für Wahlkampfauftritte „gebucht“.

Dem kleinen Landesverband, die AfD zählt in Bremen gerade einmal 150 Mitglieder, wurden lange kaum Chancen eingeräumt, den Sprung in die Bürgerschaft zu schaffen. Bis zum vergangenen Wochenende. Eine vom Weser-Kurier veröffentlichte Meinungsumfrage sieht die AfD in Bremen gleichauf mit der FDP bei fünf Prozent. Die Euro-Kritiker zeigten sich von den Zahlen nicht überrascht. Die Stimmung in der Stadt habe sich für die Partei merklich gebessert, berichen die Wahlkämpfer. Viele sehen ihre Partei daher bereits bei sieben bis acht Prozent. „Wir wollen besser abschneiden als die Hamburger“, heißt es mit Blick auf die 6,1 Prozent, die die AfD an der Elbe geholt hat. Angesichts des nicht nur von Schäfer diagnostizierten Stimmungswandels in Bremen erscheint das nicht mehr völlig ausgeschlossen.

Anfang des Jahres hatte das noch anders ausgesehen. Als es darum ging, Unterstützungsunterschriften zu sammeln, war nicht nur der Wind eisig, der den AfD-Mitgliedern entgegenblies. „Viele Leute waren uns gegenüber kritisch eingestellt. Das war nicht immer eine freundliche Angelegenheit“, erinnert sich Schäfer. Doch seit einigen Wochen habe sich das geändert. „Wir erleben viel Zuspruch.“

Während die AfD in Bremen noch darum kämpft, in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft einzuziehen, droht ihren Parteifreunden im Erfurter Landtag endgültig die Spaltung. In der vergangenen Woche schloß die von Björn Höcke geführte AfD-Frakion den Abgeordneten Siegfried Gentele aus. Dieser hatte zuvor Höcke scharf kritisiert und ihm vorgeworfen, sich nicht genug um die Thüringer AfD und die Fraktion zu kümmern. Stattdessen reise Höcke lieber durch Deutschland und halte Reden. Die Fraktion teilte mit, das Vertrauensverhältnis der Fraktionsmehrheit zu Gentele sei nachhaltig zerrüttet.

Dieser zeigte sich verwundert über seinen Rauswurf. Seine Kritik an Höcke sei als „Schuß vor den Bug“ gedacht gewesen, sagte er der jungen freiheit. „Die AfD hat als Motto ‘Mut zur Wahrheit’, ich habe diesen Mut“, bekräftigte Gentele. Unterstützung erhielt er von den beiden AfD-Abgeordneten Jens Krumpe und Oskar Helmerich. „Siegfried Gentele hat weder Interna verraten, noch die Unwahrheit gesagt“, kritisierte Helmerich. „Er hat einzig öffentlich die gravierenden Probleme angesprochen, welche intern seit einem halben Jahr unter den Teppich gekehrt werden.“ Den beiden Parlamentariern drohen ebenfalls Sanktionen der Fraktion.