© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Jenseits von Tröglitz
Medien: Das angeblich überwundene Freund-Feind-Denken feiert fröhliche Urständ
Thorsten Hinz

Das Feuer im Dachstuhl des geplanten Asylantenheims in Tröglitz ist – im Unterschied zu manch anderen Bränden – nicht als „Gewalt gegen Sachen“ abgetan, sondern als Ausgangspunkt einer neuen Kampagne „gegen Fremdenfeindlichkeit“ und „gegen Rechts“ genutzt geworden. Der Rücktritt des Tröglitzer Bürgermeisters, der die bevorstehende Ankunft von Asylbewerbern begrüßt hatte und dem daraufhin Demonstrationen vor seinem Privathaus angekündigt wurden, reichte dazu nicht aus. Zu sehr erinnerte das an die gängige Praxis linker Aktivisten gegen tatsächlich oder vermeintlich rechte Politiker, als daß sich daraus genügend Erregungskapital schlagen ließ.

Ein Feuer läßt sich viel leichter als dramatisches Fanal deuten – wobei man nicht weiß, wer es aus welchen Gründen – gelegt hat. Darauf kommt es auch gar nicht an. Die Funktions- und Dressurelite aus Politik und Medien braucht einen propagandistischen Vorwand, um die Zügel, die ihr zu entgleiten drohen, fester anzuziehen.

Europa und insbesondere Deutschland sind Zielgebiete einer anschwellenden Völkerwanderung. Menschen aus Afrika und Asien begehren Zugang in die reichen Gegenden. Das ist nachvollziehbar, führt hier aber zu Interessenkonflikten materieller, psychologischer und lebensweltlicher Art. Die Konflikte gewinnen an Intensität und beginnen politisch zu werden. Das heißt, die einheimischen und die zugewanderten Interessenten und deren deutsche Unterstützer fangen an, sich entlang der Konfliktlinie als Gegner zu sortieren.

Das ist vor allem in den neuen Bundesländern der Fall, wo die Menschen vehement auf dem Recht bestehen, sich ihre Nachbarschaft aussuchen zu können. Da sie über das Privileg des Vergleichs verfügen, empfinden sie alles andere als einen Rückfall in den vormundschaftlichen Zustand der DDR.

Die Frage ist nun, ob sich der Staat beziehungsweise die Funktionseliten, die seine Schaltstellen besetzen, sich als Vertreter und Interessenvertreter des Staatsvolks verstehen und es gegen die materiellen und lebensweltlichen Zumutungen von außen in Schutz nehmen.

Politik und Medien bestehen darauf, daß es einen Konflikt und Konfliktparteien im Grunde gar nicht gebe. Höchstens bestünden soziale Probleme, die sich durch „Inklusion“, „Weltoffenheit“ und eine herzliche „Willkommenskultur“ lösen ließen. Die Medien präsentieren beispielhafte Initiativen von Bürgern, die zeigen sollen, „wie Integration gelingt“: Eine Strategie, die tatsächlich an die Praxis des SED-Staates erinnert, wo die Freiheit der Bürger darin bestand, die Ratschlüsse von Partei und Regierung „schöpferisch“ und „initiativreich“ umzusetzen.

Den theoretischen Unterbau dafür liefern Gesellschaftskonzepte, welche die Tendenzen der Moderne – Individualisierung, allgemeine Mobilität und Flexibilität (wozu auch die Zuwanderung zählt) – verabsolutieren und die traditionellen kollektiven Identitäten für obsolet erklären. Die kollektiven Verbindlichkeiten müßten jetzt unter dem Eindruck globaler Prozesse permanent neu ausgehandelt werden, wobei allen Beteiligten die „Teilhabe“ zu ermöglichen sei.

Damit verliert auch der Nationalstaat seine Schutzfunktion gegenüber dem Staatsvolk. Denn der Unterschied bestehe nicht mehr zwischen dem „Wir“ und dem „Sie“ – der sich im Konfliktfall bis zur Freund-Feind-Konstallation steigerte –, sondern zwischen denen, welche die Herausforderungen der Moderne gemeinsam meisterten, und denen, die sich ihnen exklusiv verweigerten.

Solche Theorien weisen zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten auf wie die, daß ausgerechnet Angehörige vormoderner Kulturkreise, die in westlichen Staaten Parallelgesellschaften bilden, als Agenten der Moderne erscheinen.

Doch Argumente dagegen dringen nicht durch. Die Gegner solcher Gesellschaftskonzepte werden überhaupt nicht widerlegt, sondern als Anhänger archaischer Ideologien mit brauner Einfärbung unter Verdacht gestellt. Die Auseinandersetzung wird von der sachlich-politischen auf die moralische Ebene verlagert und der Andersdenkende zum Feind dämonisiert, der eliminiert gehört. Damit feiert das angeblich überwundene Freund-Feind-Denken in der dialogisch-kommunikativen Gesellschaft fröhliche Urständ.

Die Pegida-Bewegung wurde vom amtierenden Justizminister als „Schande für Deutschland“ bezeichnet und damit außerhalb jeder Diskussion gestellt. Den Demonstranten wurde das Recht abgesprochen, ihre Ansichten und Interessen zu formulieren, zu vertreten und in die Kanäle der Politik einfließen zu lassen. Im Grunde handelt es sich um ein Bürgerkriegsvokabular und eine offene Feinderklärung.

Für die Eliten ist das nicht ohne Risiko, denn es führt auf der anderen Seite zu Erbitterung und gleichfalls zur Feindwahrnehmung. Die drückt sich aus im „Lügenpresse“-Vorwurf, der den Journalisten spürbar zu schaffen macht, oder in der zunehmenden, bis zu offener Aggressivität intensivierten Respektlosigkeit gegenüber politischen Amtsträgern.

Die Funktionsträger sehen sich nicht mehr als dem demos und dessen Interesse gegenüber – das vornehmlich ein nationales ist – im Wort stehend, sondern sie fungieren – die meisten unwissend – als Marionetten einer „Global Governance“, einer internationalen Kooperation zur Ausgestaltung der Globalisierung. Ihr Ausgangspunkt und Adressat ist nicht mehr das Staatsvolk als kollektives politisches Subjekt, sondern „die Bevölkerung“ der Welt.

Deutschland mit seiner gebrochenen Identität scheint ein besonders geeignetes Objekt für dieses Experiment zu sein.