© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/15 / 10. April 2015

Hasen verschwinden, Störche wandern ab
Ökologisches Desaster: Die Energiewende festigt die industrielle Landwirtschaft
Christoph Keller

Beim Thema Enteignung und Restitution landwirtschaftlichen Eigentums in der ehemaligen DDR stehen stets die „Roten Barone“ im Mittelpunkt. Diesen Spottnamen tragen die Chefs Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG), die nach der Wende günstig die Flächen ihrer ehemals „volkseigenen“ Betriebe erwarben, um auf 4.000-Hektar-Feldern die industrialisierte Landwirtschaft der DDR unter kapitalistischen Bedingungen fortzusetzen.

Konzentriert auf ökonomische und rechtliche Probleme dieser „Agrarwende“ wurden jedoch gern deren Natur und Umwelt bedrohende Auswirkungen übersehen, auf die jetzt der Agrarwissenschaftler Jörg Gerke aufmerksam macht, der im Landkreis Rostock einen Öko-Bauernhof bewirtschaftet (Natur, 2/15).

Mit der Entscheidung, altgediente LPG-Bosse zu Agrarkapitalisten aufsteigen zu lassen und die mitteldeutsche Landwirtschaft nicht auf kleinere und mittlere Betriebe auszurichten, sind für Gerke die Weichen von Anfang an falsch gestellt worden. Der Zug fahre wohl seit Finanzkrise und Energiewende endgültig in die falsche Richtung. Denn seitdem greifen „Investoren“ auf Agrarflächen als stabile Wertobjekte zu. Eine Spekulation, die sich auszahlt, denn die Nachfrage nach Maisäckern verteuerte Bodenpreise von 1.000 Euro pro Hektar (2002) auf heute 25.000 Euro.

Ohne Knicks und Hecken erodiert der Boden

Fonds und Aktiengesellschaften seien nicht interessiert an Nachhaltigkeit. Sie würden, so kritisiert Gerke, schnelle, rationalisierte Landwirtschaft präferieren, mit generös arrondierten Feldern, bestellt von großen Maschinen und möglichst wenig Menschen. Eine Strategie, die Gerke für den Zusammenbruch des landwirtschaftlichen Agrarmarktes, die Landflucht junger Menschen und die Verödung der Agrarregionen verantwortlich macht.

In den gewaltigen Flächeneinheiten fänden sich kaum noch Hecken und Wäldchen. Damit fehlen Puffer, die Bodenerosion und Staubverwehungen verhindern. Der Sandsturm, der im April 2011 auf der A 19 bei Rostock acht Autofahrer das Leben kostete, ist die bisher spektakulärste Folge dieser Entwicklung. Auf Mais- und Getreide-Monokulturen gibt es aufgrund üppigen Herbizideinsatzes keinen Unterwuchs. Tiere finden daher kein Unkrautfutter mehr. Hasen verschwinden, Störche suchen das Weite, Bienen machen sich mangels Blütenpflanzen davon.

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