© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/15 / 10. April 2015

Sieben Aufrechte
Gegenentwurf: In der Leipziger Universität ist ein von Erich Loest in Auftrag gegebenes Bild des Malers Reinhard Minkewitz ausgestellt
Jörg-Bernhard Bilke

Für den 2013 verstorbenen Schriftsteller Erich Loest wäre dieser Festakt am 30. März in der Leipziger Universität ein Augenblick des Triumphes gewesen: Er hatte nach jahrelangen Querelen um eine Wiederaufhängung des Wandgemäldes „Arbeiterklasse und Intelligenz“, das Werner Tübke im Auftrag der Uni Leipzig zu DDR-Propagandazwecken 1973 fertigstellte und ihn berühmt machte, 2006 dem Leipziger Maler Reinhard Minkewitz (Jahrgang 1957) den Auftrag erteilt, einen Gegenentwurf mit dem Titel „Aufrecht stehen“ zu schaffen.

Loest und seine Lebensgefährtin Linde Rotta sowie der ausführende Maler beabsichtigten damit eine Rehabilitierung von DDR-Intellektuellen, deren Lebens- und Berufsweg durch eine ideologisch ausgerichtete Politik zerstört worden war. Heute weiß man aus den Archiven, daß es sich um Hunderte gehandelt haben muß, die in den vierzig DDR-Jahren davon betroffen waren.

Von den sieben Aufrechten des Minkewitz-Bildes gegen Behördenwillkür, ideologische Bevormundung und politische Verfolgung ist heute keiner mehr am Leben: Der Philosophie-Professor Ernst Bloch, 1957 zwangsemeritiert, und der Literaturwissenschaftler Hans Mayer flüchteten 1961 beziehungsweise 1963 in den Westen, bekamen dann Lehrstühle in Tübingen und Hannover angeboten und starben 1977 und 2001. Die drei Studenten wurden entweder, weil sie für demokratische Verhältnisse eintraten, 1951 in Moskau erschossen wie Herbert Belter (1929–1951) oder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wie Wolfgang Natonek (1919–1994), der acht Jahre im Zuchthaus Bautzen saß, und Werner Ihmels (1926–1949), der dort starb. Der Leipziger Studentenpfarrer Siegfried Schmutzler (1915–2003) war von 1957 bis 1961 im Zuchthaus Torgau an der Elbe eingesperrt, und der Leipziger Erich Loest wurde 1957 für sieben Jahre nach Bautzen verbracht, bevor er 1981 den SED-Staat verlassen durfte.

In der Leipziger Universität sind die beiden Bilder von Minkewitz und Tübke jetzt in einer Dauerausstellung zu sehen.

Die beiden Kunstwerke können im Hörsaalgebäude der Universität Leipzig, Ritterstraße 26, montags bis freitags zwischen 7 und 21 Uhr besichtigt werden. www.zv.uni-leipzig.de

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