© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Deutsche Erde voll schwarzer Diamanten
Die Burgundertrüffel erlebt eine Renaissance / Großes Interesse von Pflanzwilligen
Heinz-Wilhelm Bertram

Seine erste konkrete Begegnung mit Trüffeln hatte Dietmar B. vor drei Jahren bei einem „Trüffeltag“ in der Gaststätte „Waldgrotte“ in dem Dörfchen Buus im Kanton Baselland/Schweiz. Der Tierarzt aus Süddeutschland erinnert sich: „Es begann mit einem kurzen Vortrag über die Burgundertrüffel und deren Vorkommen auch nördlich der Alpen“, rekapituliert er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Dann folgte ein zweistündiger Trüffelspaziergang, bei dem ein Hund ca. 300 Gramm Burgundertrüffeln im Erdreich fand. Anschließend gab es ein Trüffelmenü.“ Gut eineinhalb Jahr später suchte er einen jungen Hund. Gelehrig, zäh und konzentriert sollte er sein – eben geeignet für die Trüffelsuche: ein neun Wochen alter Parson-Russell-Terrier kam ins Haus.

Millionenwerte im Boden aller deutschen Regionen

Einen Winter später sind Dietmar B. und Vierbeiner Rex bereits ein erfolgreiches Team: Volle 3,8 Kilogramm bester Burgundertrüffel haben sie in der Nordschweiz während ihrer ersten Trüffelsaison ernten können.

In Deutschland dürfen sie nicht suchen. Denn alle echten Trüffeln gelten nach der Bundesartenschutzverordnung als „besonders geschützt“. Nicht wenige halten dies für einen heillosen Anachronismus. Denn vor 100 Jahren noch war Deutschland die Exportnation Nummer eins für Burgundertrüffel. Und die Klima­erwärmung scheint ihr Vorkommen noch verstärkt zu haben.

Die deutsche Erde ist voll der schwarzwarzigen Knollen. In allen Bundesländern gedeihen sie in solcher Üppigkeit, „daß mit ihnen jedes Jahr Millionenwerte im Boden vergammeln“, so Dietmar B. Experten vermuten, daß in günstigen kalkreichen Böden ohne Staunässe keine Pilzart so häufig oberirdisch vorkommt wie Burgundertrüffel unter der Erde. Europaweit gesehen, bildet Deutschland das Zentrum dieser Trüffel.

Tuber uncinatum, wie sie botanisch heißt, kann von Juli bis Januar geerntet werden; die ertragreichsten Monate sind September, Oktober und November. Auf der Liste der am besten schmeckenden Echten Trüffeln (Tuberales) nimmt sie Rang drei ein; nur die Weiße Alba-Trüffel (Tuber magnatum pico) und die Schwarze Périgord-Trüffel (Tuber melanosporum) schmeicheln dem Gaumen noch königlicher.

Dem Sammelverbot zum Trotz spricht einiges dafür, daß die Renaissance der Burgundertrüffel hierzulande bereits begonnen hat. Nicht verboten ist nämlich ihr Anbau auf Plantagen.

Daß da gerade ein neuer Nischenmarkt entsteht, bestätigt Markus Mayer, Geschäftsstellenleiter des Verbandes für Trüffelanbau und Nutzung in Deutschland e. V., der JF. Erst 2014 hat sich der Verband mit Sitz in Schallstadt bei Freiburg/Br. gegründet. Mayer freut sich: „Für den Trüffelanbau interessieren sich Winzer, private Waldbesitzer und Kommunen, aber auch Privatleute mit Grund sowie kleine Gruppen, die darin ein sinnvolles Hobby oder mehr sehen.“ Eines der Mitglieder, Ludger Sproll, hat das Unternehmen „Deutsche Trüffelbäume“ gegründet. „Wir verkaufen unsere beimpften Trüffelbäume in ganz Deutschland.“ Manchmal würden nur zwei Bäume für den eigenen Garten am Haus bestellt, dann aber wiederum, so Sproll, „meldet sich der Opa, der für seine Enkel eine ganze Plantage anlegen will. Nachhaltigkeit und der naturnahe und ästhetische Aspekt solcher Anlagen spielen eine große Rolle.“

In perfekter Symbiose mit einheimischen Bäumen

Fabian Sievers (42) hatte es besonders eilig. Bereits vor drei Jahren hat er bei Alfeld/Südniedersachsen auf zwei Hektar 1.200 mit Burgundertrüffelsaat geimpfte Bäume gepflanzt. „Schon in der Vergangenheit brachten die flachgründigen Kalkböden des Leineberglandes dank ihres basischen pH-Wertes zwischen 7 und 8,5 zuverlässig sehr guten Trüffelertrag“, erklärt er der JF.

Sievers kommt aus dem Musikinstrumentenhandel. Seit drei Jahren aber setzt er voll auf die Karte Trüffel. Und ist doch Realist: „Die ersten Trüffeln erntet man mit Glück nach fünf, in der Regel nach sieben bis zehn Jahren. Ehe man 20 Kilo Ernte erzielt, vergehen noch mehr Jahre.“ Bis zu 600 Euro werden derzeit für ein Kilo Burgundertrüffeln gezahlt. Optimistisch ist Sievers aber vor allem deshalb, weil es an Kaufinteressenten aus der regionalen Gastronomie nicht mangele: „Schon heute fragen mich Restaurantinhaber oder Köche, ob oder wann ich liefern könne.“ Ab erster Lieferung würde das Geschäft praktisch lebenslang – und darüber hinaus – laufen: „Bis ins höchste Alter werfen die Bäume Trüffeln ab.“

An Arten sind dies Haselnuß, Rotbuche, Hainbuche, Zerreiche, Stieleiche und Linde. Sievers hat sie beim österreichischen „Trüffelgarten“ gekauft. Die Herstellung von Impfsaat sei strenges Betriebsgeheimnis aller Anbieter. Die Bäume sind erpicht auf Trüffelsaat: Die an ihren Feinwurzeln andockenden Pilze versorgen den Baum mit dem Boden entnommenen Mineralien, der Pilz erhält dafür vom Baum Zuckerspeise. Ein perfekter Handel, der so versorgte Bäume deutlich resistenter für Umweltgifte, Trockenheit, Frost und Krankheitserreger macht – und der Trüffel Wachstum beschert.

Kaum ein Tag vergehe, so Sievers, an dem nicht mindestens ein Interessent bei ihm anrufe, der ebenfalls mit dem Gedanken spiele, eine Trüffelplantage anzulegen. Oft seien es Landwirte, denen er bei der Realisierung zur Seite stehe.

Derweil muß Dietmar B. mit Hund Rex weiter notgedrungen in die Schweiz zur Wildtrüffelsuche fahren. Er hadert mit den Bestimmungen: „Die Burgundertrüffel ist ein Massenpilz, der keines Schutzes bedarf. Viel eher wäre hier ein Habitatschutz der Baumpartner angesagt. Denn wer den Baum abholzt, tötet die Trüffelwurzel. Der Sammler, der ein paar Fruchtkörper entnimmt, tötet nichts.“

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