© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Ostern
Der Skandal der Kreuzigung
Dieter Stein

Zwei Feste sind die höchsten im Christentum: Weihnachten und Ostern. Geburt, Tod und Auferstehung Jesu Christi, den wir als Gottessohn verehren. Christi Geburt, die wir Heiligabend feiern, erscheint noch jedermann als anrührend, schließlich liegt das Neugeborene in der Krippe; und Babys sind ja zum Knuddeln süß. Ganz anders Ostern mit dem Opfergang zuvor, mit Folter, Marter und schließlich der Kreuzigung des Herrn. „O Haupt voll Blut und Wunden“, wie Paul Gerhardt dieses Ereignis in seinem Choral besingt. Das erschließt sich nur schwer, weshalb in unserer Religion dieser Tod (danach die Auferstehung) und das Kreuz im Zentrum der Symbolik stehen.

In Bayern aufgewachsen, waren für mich in der Kindheit die Kruzifixe, die Kreuze mit dem angeschlagenen Jesus an vielen Wegkreuzungen, in öffentlichen Räumen und in Wohnzimmern allgegenwärtig. Der Gekreuzigte erinnert beim Betreten jeder Kirche an den „Skandal“, den Jesus vor 2.000 Jahren ausgelöst hatte. Jerusalem muß damals ein besonderer Tummelplatz von zahllosen Sekten und religiösen Eiferern gewesen sein. Dieser Jesus war nur einer von vielen, die den wahren Weg im Sinne Gottes zu verkünden glaubten, ein durchgeknallter Spinner in den Augen des Establishments. Doch während die Namen anderer längst Schall und Rauch sind, verbreitete sich seine Botschaft über die ganze Erde. Wäre das überhaupt möglich gewesen, wenn das Zeugnis nicht wahr, sondern bloß eine Legende wäre?

Die Passion Christi – 2004 von Mel Gibson in für mich besonders erschütternder Weise verfilmt – gab den Jüngern ein Beispiel und eine Verpflichtung, die nach der Auferstehung in den Missionsbefehl mündete. Jesus zu folgen bedeutete, selbst genauso verfolgt zu werden und zum Äußersten entschlossen zu sein. Was den frühen Christen in Rom dann tatsächlich widerfuhr, wie es heute wieder den ältesten Gemeinden in Syrien und dem Irak erneut ergeht.

Viel ist in jüngster Zeit von Konvertiten die Rede, Europäern, Deutschen, die zum Islam übertreten. Einige finden sich auch in den Reihen des Islamischen Staates (IS) wieder, der sein Terrorregime besonders in jener Region entfaltet, wo das Christentum seine ältesten Wurzeln hat. Wieso konvertieren nur so wenige Moslems bei uns zum Christentum? Warum ist die eigene Religion heute vielfach so schwach, daß sie kaum noch anzuziehen scheint und daß statt dessen den Kirchen getaufte Mitglieder in Scharen davonlaufen?

Für diese Ausgabe haben wir Christen besucht (siehe Seite 7), die sich erst jüngst haben taufen lassen und zuvor Moslems waren. Vielleicht können sie am ehesten bezeugen, welche Kraft von der christlichen Botschaft ausgeht. Ostern erinnert daran, wie leidensvoll alles begann und welches Wunder in der Kreuzigung verborgen ist.

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