© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Nahe am Wasser gebaut
Marcus Schmidt

Die Täter kamen in der Nacht zum 3. März. Sie entfernten fünf Wasserhähne in einer Toilette und fluteten so mehrere Stockwerke der in Bau befindlichen Berliner Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND). Doch weder der dadurch auf 2.000 Quadratmeter Bürofläche entstandene Schaden, der in die Hunderttausende geht, noch die neuerliche Bauverzögerung der gigantischen Geheimdienstzentrale in der Mitte der Hauptstadt sorgen im Regierungsviertel derzeit für Unruhe. Es ist ein kleines Detail, das die Sicherheitsbehörden seit Tagen umtreibt.

Um auf die hochgesicherte Baustelle zu gelangen, nutzten die Täter einen Schlüssel. Genauer gesagt eine von 118 elektronischen Schlüsselkarten, wie der Spiegel berichtete. Dazu paßt, daß die Polizei keine Einbruchsstellen an den betroffenen Räumen, die bereits baulich abgenommen und bezugsfertig waren, gefunden hat. Wer also steckt hinter dem kostspieligen Wasserschaden, bei dem es sich nach Ansicht der Ermittler ganz offensichtlich um Sabotage handelt?

In Berlin werden derzeit mehrere Theorien verfolgt. Entscheidend ist dabei, daß es sich bei dem gewaltigen Bürokomplex nicht um ein beliebiges Regierungsgebäude, sondern um die Zentrale des deutschen Auslandsgeheimdienstes handelt. Schon 2011 sorgte der Bau für Schlagzeilen, als Baupläne verschwanden. Auch wenn die Bundesregierung versicherte, diese seien nicht sicherheitsrelevant gewesen, blieb ein ungutes Gefühlt. Offenbar, so der Eindruck, ist Deutschland nicht in der Lage, die Zentrale seines wichtigsten Geheimdienstes, der die Bundesregierung mit brisanten Informationen aus den Krisengebieten dieser Welt versorgen soll, abzuschirmen. Dazu paßt, daß die Baustelle von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht wird. Schon in der Vergangenheit hatten sich ausländische Sicherheitsexperten gewundert, warum der BND, der noch im idyllischen Pullach residiert, sein Hauptquartier ausgerechnet mitten in der Hauptstadt in einem Wohngebiet aufschlägt. Die umliegenden Wohnhäuser, von denen das Gelände teilweise eingesehen werden könne, seien geradezu eine Einladung für ausländische Geheimdienste zur Spionage.

Führt die Spur des Wasserschadens vielleicht genau in diese Richtung? Szenenwechsel. Wenige hundert Meter vom Wasserschaden entfernt, im Paul-Löbe-Haus des Bundestages, tagt seit einem Jahr der NSA-Untersuchungsausschuß. Das Gremium geht der Frage nach, ob, und wenn ja, in welchem Umfang der amerikanische Geheimdienst NSA die elektronische Kommunikation im Berliner Regierungsviertel und insbesondere die der Bundeskanzlerin abgehört hat. Mehrfach, so ist aus dem Ausschuß zu hören, haben die Amerikaner zu verstehen gegeben, wie wenig sie von diesen Nachforschungen halten.

Vielleicht, so wird in Berlin daher gemutmaßt, waren es also gar keine enttäuschten Handwerker, die ihre gerade eingebauten Wasserhähne einfach wieder mitgenommen haben, sondern ein ausländischer Nachrichtendienst, der den deutschen Sicherheitsbehörden halb im Scherz die Grenzen zeigen wollte.

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