© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Mit dem geflügelten H
Eine deutsche Traditionsmarke steht wieder auf: Die Horex mit Hilfsmotor hat alles, worauf Konservative abfahren: zeitgemäße Qualität mit Geschichte
Bernd Rademacher

In den achtziger Jahren waren die „Werner“-Comics des friesischen Illustrators „Brösel“ populär. Darin macht der knollennasige Werner Deutschlands Norden mit seinem Horex-Motorrad unsicher. Höhepunkt des Fan-Kultes war das reale Renn-Ereignis zwischen einem Selbstbau-Motorrad mit vier Horex-Motoren („Red Porsche-Killer“) und einem Porsche 911.

Doch da war die Motorradmarke Horex längst graue Geschichte. Begonnen hatte diese 1920. Damals übernahm ein Konservenglas-Fabrikant aus dem Taunus die Columbia Motorenbau AG in Bad Homburg. Der Tüftler überrascht den Markt mit einem Hilfsmotor für Fahrräder. Das Patent nennt er Gnom. Der Gnom liefert ein PS. Weil das ziemlich bescheiden ist, witzelt der Volksmund: Gnom = Geht nicht ohne Mittreten.

Fahrräder mit Hilfsmotoren gab es noch eine ganze Weile: Die Münchner Motorenwerke bauten bis Mitte der Fünfziger ebenfalls ein Gefährt namens „Rex“ mit einem kuriosen Keilriemen-Vorderradantrieb und einem 1,5-Liter-Tank auf der Lenkstange.

Doch Juniorchef Fritz Kleemann hat höhere Ziele. Er gründet seine eigene Firma und nennt sie Horex: Ho wie Homburg, Rex wie der Name des Hilfsmotor-Velos. Der Beginn in den 1930ern läuft vielversprechend, dann kommt der Krieg dazwischen. Doch in der Adenauer-Ära gibt Horex richtig Gas: Die 350-Kubik-Maschine „Regina“ wird zum weltweiten Verkaufsschlager. 1951 der nächste Knaller: die Horex-„Imperator“. Die 500 Kubik aus zwei Viertakt-Zylindern bringen die damals unvorstellbare Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h.

Fahrspaß im eleganten Retro-Design der Zwanziger

Doch dann wird das Motorrad vom Breitenfahrzeug zum Randgruppenobjekt. Das Wirtschaftswunder macht’s möglich: Viele steigen von zwei auf vier Räder um und leisten sich das eigene Auto. Motorrad fahren bald nur noch Halbstarke. Zudem gelten Horex-Maschinen wegen fehlender Hinterradfederung als Bandscheiben-Killer. Die Verkaufszahlen brechen dramatisch ein, das Unternehmen ist nicht mehr zu retten. 1956 macht bei Horex der letzte das Licht aus.

Doch nun kehrt die Geschichte an ihren Anfang zurück: Die Firma Horex baut wieder Zweiräder – und zwar Fahrräder mit Hilfsmotor wie 1920. Allerdings läuft dieser nicht mit Benzin, sondern Strom. Am Möhnesee im Sauerland baut Ralf Bachtenkirch moderne E-Bikes im eleganten Retro-Design der Zwanziger.

Bachtenkirch bringt als Fahrradhersteller nicht nur Kompetenz, sondern auch eine ähnliche Firmengeschichte wie Horex mit. Vom Familienbetrieb in Arnsberg wurde das Unternehmen zum größten Fahrradproduzenten Deutschlands, bis die Billigkonkurrenz aus Fernost das Schicksal des Betriebes besiegelte.

Jahrelang bemühte sich der Sauerländer um die Rechte an der erloschenen Marke Horex. Nun will er Horex wieder zu alten Ehren bringen. Darum setzt der Unternehmer auf hochwertige und hochpreisige Qualität und „Made in Germany“: Elektronik von Bosch, Ledersattel von Brooks, Reifen von Schwalbe, Schloß von Abus, stufenlose Automatikschaltung von NuVinci. Damit setzt das Horex-Pedelec im Nostalgie-Look technisch wie optisch deutliche Akzente. „Wie damals geht es nur mit Mittreten“, erklärt Bachtenkirch gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Funktionsweise: „Treten Sie stark in die Pedale, gibt der Motor viel Kraft dazu. Der Motor hält sich zurück, wenn Sie langsamer treten. So regeln Sie stufenlos die Geschwindigkeit.“

Kaufen kann man das edle Gefährt nur im werkseigenen Laden am Möhnesee. Im „Radleben“ finden Radfahrer alles, was sich erträumen läßt: von Accessoires bis Werkzeug ist alles da. Und natürlich auch die passende Kleidung zum goldenen Horex-Zeitalter. Horex-Fahrer dürfen sich schon erhaben fühlen, findet der Fortsetzer der Geschichte, denn „der Name Horex hat einen Ehrenplatz in der deutschen Zweiradhistorie verdient“, sagt er.

www.radleben.de

www.horex.com

Foto: Modernes Horex-Elektrofahrrad mit altem Charme: Produzent Ralf Bachtenkirch hat Fahrspaß wie einst Comic-Held Werner mit dem Horex-Ofen

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