© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Frisch gepresst

Reichsorchester. Auf Youtube ist eine Aufnahme mit Wilhelm Furtwänglers „Meistersinger“-Vorspiel im Berliner AEG-Turbinenwerk abrufbar. Nach 1939 waren derlei Konzerte für seine Philharmoniker jedoch eher die Ausnahme. Für die seelische Betreuung der „schaffenden und kämpfenden Volksgemeinschaft“ war vielmehr die „künstlerische Elite-Truppe“, das NS-Reichs-Symphonieorchester (NS-RSO) unter Erich Kloss zuständig. Schon 1931 in Parteiregie gegründet, war das „Orchester des Führers“ nach 1933 omnipräsent, wenn es galt, für gehobene Ansprüche „Kraft durch Freude“ zu vermitteln. Da aber Kloss’ Klangkörper jederzeit live verfügbar war, entstanden nur wenige Plattenaufnahmen, die überdies im Krieg verlorengingen. So wurde das RSO nach 1945 rasch vergessen, wie sein Dirigent, den der westdeutsche Musikbetrieb als „belastet“ marginalisierte. Die Kloss-Biographie von Diana Thorn schlägt mithin ein unbekanntes Kapitel der Musikgeschichte des Dritten Reiches auf. Leider beschränkt sie sich dabei auf eine pure Materialsammlung, die ihren zitatenseligen Schwerpunkt in Referaten von Konzertrezensionen findet und die für die Zeit nach 1945 allzu penetrant die Ausgrenzung des Dirigenten darstellt. (wm)

Diana Thorn: Von einem, der auszog Musik zu machen und das Fürchten lernte. Biographie des Pianisten und Dirigenten Erich Kloss. Verlag Hohe Warte, Pähl 2014, gebunden, 329 Seiten, Abb., 24,90 Euro

 

Guantanamo. Obwohl es Barack Obama im Wahlkampf 2008 fest versprochen hatte und neben vielerlei Vorschußapplaus gleich auch noch den Friedennobelpreis einheimste, vegetieren auch sechseinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt noch Dutzende Terrorverdächtige im Camp Delta des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba. Der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi ist einer der Arrestierten, der ohne Gerichtsverfahren seit mehr als zwölf Jahren dort festgehalten wird. Nicht nur dieses Faktum, das jede moralische Glaubwürdigkeit der USA bis heute massiv belastet, sondern vielmehr die qualvollen Haftbedingungen, die Slahi schriftlich festgehalten hat und die – teilweise von den US-Behörden geschwärzt – über gerichtlichen Wege publiziert werden konnten, lassen die Einschätzung wachsen, daß orangene Anzüge nicht die einzige Gemeinsamkeit von US- und IS-Opfern sind. (bä)

Mohamedou Ould Slahi: Das Guantanamo-Tagebuch. Tropen Verlag, Stuttgart 2015, broschiert, 459 Seiten, 19,95 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen