© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

CD-Kritik: Manfred Reuthe – Klavier
Klang aus der Stille
Andreas Zöllner

Wie ein gerade entkorkter Perlwein in die Schale, so schießt die Sonate von Domenico Scarlatti hervor. Manfred Reuthe durchwandert auf den stets gleichen Tasten eines Bösendorfer Flügels musikalisch die zwei Jahrhunderte, in denen die Musik entstand, wie wir sie heute kennen. Dabei wendet er sich am Wegesrand den zunächst unscheinbar wirkenden kleineren Stücken zu. Deren kürzestes währt gerade zwei Minuten. Sechsmal so lange dauern die Variationen über ein holländisches Lied von Johann Nepomuk Hummel. Bereits Mozart, der spätere Lehrer von Hummel, hatte als neunjähriges Wunderkind Variationen zu „Wilhelmus von Nassauen“ während seiner Konzertreisen gespielt.

Frühlingshaft trällert die Musik der Durante, Scarlatti und Hummel. Doch auch bei ihnen kündigt sich zuweilen schon ein melancholischer Zug an. Chopin läßt sein „Impromptu“ hervorwirbeln. Die „Barcarolle“ in der gleichen Tonart webt dagegen an einem dunkelstimmigen Vorhang. Debussy graviert lautmalerische Stiche „Estampes“ zu Gärten und Pagoden. Sein impressionistischer Gefährte Emmanuel Chabrier fantasiert in diesem Sinne weiter. Reuthe entläßt den geordneten Klang behutsam aus der Stille. Der Pianist ist Beisitzer des Vereins „Lautsprecher aus“, der sich für das Recht auf Stille und gegen unerwünschte Beschallung einsetzt.

Manfred Reuthe Klavier Bella Musica, 2015 www.bella-musica-edition.de

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