© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Lobbyplag dokumentiert Einflußnahme auf EU-Richtlinien
Wunschkonzert für Konzerne
Jörg Fischer

Voriges Jahr waren in Washington 11.781 offiziell registrierte Lobbyisten unterwegs, um mittels 3,23 Milliarden Dollar die Gesetzes­initiativen des US-Kongresses im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. Mit knapp 496 Millionen Dollar erwies sich die Finanzlobby am spendabelsten, die Agar- und Rüstungsbranche wendeten jeweils nur ein Viertel dieser Rekordsumme auf. Die gesamte Automobilindustrie gab lediglich 53 Millionen aus, die Gewerkschaften hatten weniger als 45 Millionen, und die Umweltschützer nicht einmal 14 Millionen anzubieten. Das erklärt mit, wer während der Finanzkrise ins Rettungsboot durfte – und wer unterging.

Wie viele Lobbyisten in Berlin an der Gesetzgebung mitschreiben, weiß hingegen niemand. Seit 1972 gibt es nur eine freiwillige Liste mit Verbänden, die ihre Interessen gegenüber dem Bundestag vertreten. Der Bundesanzeiger listete 2014 lediglich 2.175 Namen auf, die Kölner Initiative „Lobbycontrol“ geht von etwa 5.000 aus – die Lobbyausgaben sind unbekannt. Auch die schätzungsweise 20.000 EU-Lobbyisten in Brüssel können, müssen sich aber nicht ins Transparenzregister eintragen lassen. Die Internetplattform Lobbyplag.eu versucht, wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringen. Die Netzaktivisten zeigen anhand von Änderungsanträgen zur EU-Datenschutzreform, daß diese nicht von Europaabgeordneten formuliert, sondern zum Teil wortwörtlich aus Papieren von Konzernlobbyisten entnommen wurden – etwa von Amazon, Ebay, dem Verband Euro ISPA (Facebook, Google, Microsoft) oder Bankenverbänden.

Auch Innenminister Thomas de Maizière scheint nicht auf seiten der Bürger zu stehen: 62 Anträge zur Lockerung des Datenschutzes hat der CDU-Politiker in den EU-Rat eingebracht – nur elf, um ihn zu stärken. Der in Brüssel weniger geliebte ungarische Justizminister László Trocsányi ist mit zehn Pro- und nur fünf Kontra-Anträgen einer der wenigen Datenschutzunterstützer.

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