© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

„Im Kern hat Schulz natürlich recht“
Paris/Brüssel: EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf ermittelt gegen den Front National / Le Pen startet Gegenoffensive
Friedrich-Thorsten Müller

Zuerst zeigte sich Premier Manuel Valls tief besorgt über die guten Umfragewerte des Front National (FN) vor den Departementwahlen am 22. März. Zur Untermauerung seiner Sorgen prognostizierte er den Sieg der FN-Parteichefin Marine Le Pen bei der Präsidentenwahl 2017 und forderte sämtliche politischen Lager zur Stigmatisierung Le Pens und des Front National auf.

Kurz darauf brachte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) die europäische Anti-Betrugsbehörde Olaf gegen den FN in Stellung. Deren Vorwurf: Die Partei, die seit Mai vergangenen Jahres mit 23 Abgeordneten als stärkste französische Gruppierung in Brüssel vertreten ist, soll die ihr für die Parlamentsarbeit in Brüssel zustehenden Mitarbeiter rechtswidrig in Frankreich einsetzen. Am Parteisitz in Nanterre seien dabei nach Angaben der Zeitung Le Monde allein fünf der EU-Assistenten für Marine Le Pen und drei für deren Vater, Parteigründer Jean-Marie, tätig.

FN-Mitarbeiter arbeiten eher gegen als für die EU

Beide Politiker sind Mitglied des Europaparlaments und zugleich Vorsitzende oder Ehrenvorsitzende der Partei mit entsprechend wechselnden Tätigkeitsorten. Der Verdacht stützt sich insbesondere auf Organigramme verschiedener Parteiorganisationen des FN, nach denen die fraglichen EU-Parlamentsmitarbeiter keine EU-relevanten Aufgaben betreuen. Der mutmaßliche Schaden für die EU wird mit insgesamt bis zu 7,5 Millionen Euro angegeben.

In einer ersten Reaktion auf Twitter beklagte Marine Le Pen, Opfer eines „politischen Manövers“ zu sein. „Manuel Valls mobilisiert seine sozialistischen Freunde gegen den Front National.“ Gleichzeitig kündigte sie an, eine Klage wegen übler Nachrede einzureichen. Die FN-Abgeordnete der Nationalversammlung Marion Maréchal-Le Pen legte in einem Interview mit dem Radiosender France Info nach und konstatierte, daß sich „die gesamte Presse bereits vorab festgelegt“ habe, bevor überhaupt eine Untersuchung eingeleitet wurde. Parallel bezeichntete sie Martin Schulz als „politischen Vollstreckungsgehilfen, der auf den Buchstaben genau die Anweisungen von Herrn Valls“ umsetze.

Schnell ging der FN in die Gegenoffensive und warf Schulz vor, vom EU-Parlament bezahlte Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß einzusetzen. Es sei unbestritten, daß sein EU-Assistent Herbert Hansen gleichzeitig für ein SPD-nahes Reiseunternehmen arbeitet, wo er nach eigenen Angaben unentgeltlich und nur in seiner Freizeit Bildungsreisen organisiert. Dies sieht der FN natürlich anders und wirft ihm nun vor, auf EU-Kosten nicht einmal mit Politik beschäftigt zu sein. Schulz ließ demgegenüber verlauten, daß Hansen akkreditierter Assistent mit Büro und Wohnsitz in Brüssel sei und dort vor allem auch Besuchergruppen betreue. Gleichwohl wolle sich Schulz nichts nachsagen lassen und kündigte eine „Überprüfung der Regelkonformität der Anstellung“ auch seines Mitarbeiters an.

Nicht nur aufgrund des geschickten Konters des FN ist es inzwischen im französischen Blätterwald erstaunlich schnell ruhig um den offenkundig bestellten Skandal geworden. So stellte der Figaro heraus, daß die großzügigen Personalbudgets für EU-Parlamentarier auch andere Parteien in Versuchung führen würden, diese für Zwecke in den Herkunftsländern zu mißbrauchen.

Eine Praxis, über die sich im Zeitalter milliardenteurer Vertragsbrüche auf EU-Ebene eigentlich immer weniger Franzosen aufregen möchten. Zumindest solange sich niemand persönlich dabei bereichert und es um Geld geht, das man von der Europäischen Union zurück nach Frankreich holt.

Der Vizechef des FN, Florian Philippot, brachte darüber hinaus via Twitter die Haltung auf den Punkt, wegen der viele Franzosen der Partei diesen möglichen Skandal so oder so durchgehen lassen werden: „Im Kern hat Schulz natürlich recht, unsere Mitarbeiter arbeiten nicht für die Europäische Union, sondern gegen sie“ – und damit ist aus Sicht der Franzosen, die das gut finden, eh fast alles erlaubt. In diesem Sinne stellt dieser Fall am Ende in erster Linie ein finanzielles Risiko für die Partei dar und kein politisches.

Foto: Front-National-Chefin Marine Le Pen und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (r.): Im Zwist um mögliche Betrugsfälle bei der Mitarbeiterfinanzierung sind die Fronten zwischen beiden Politikern verhärtet

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