© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Auf dem Sprung ins Kanzleramt
Ursula von der Leyen: Zwei zeitgleich erschienene Biographien loten aus, ob die Verteidigungsministerin auch das Zeug zur Regierungschefin hat
Marcus Schmidt

Das Bild ist schon jetzt eine Ikone der politischen Inszenierung. Mit verschränkten Armen steht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Sommer vergangenen Jahres auf dem Fliegerhorst Hohn in Schleswig-Hostein vor einer Transall der Luftwaffe. Von hier aus gingen im August 2014 die ersten Hilfsflüge in den Nordirak, um die vom „Islamischen Staat“ bedrängten Kurden und Jesiden zu unterstützen. Von der Leyens Pose sollte zeigen: Die Ministerin packt an und ist immer vorne mit dabei.

In den Medien erntete sie dafür Häme. Von einer Inszenierung im Stile des Hollywood-Streifens „Top Gun“ war die Rede. Daß die Jacke, die von der Leyen trägt, von einigen Kommentatoren für eine Lederjacke gehalten wurde – in Wahrheit handelt es sich um eine schwarze Jeansjacke von H&M, die sich die Ministerin von ihrer Tochter geborgt hatte – paßt ins Bild. Etwas hatte die Verteidigungsministerin jedoch erreicht: Mitten in der Ferienzeit dominierte sie die Schlagzeilen. Das Spiel mit den Medien, das Setzen von Themen zum richtigen Zeitpunkt, verstehen die CDU-Politikerin und ihr Beraterstab so gut wie sonst kaum jemand in Berlin.

Auch aus diesem Grund ist Ursula von der Leyen die Ministerin am Kabinettstisch von Angela Merkel, deren Zukunftsperspektive die Phantasie der politischen Beobachter in der Hauptstadt derzeit am meisten beflügelt. Es ist daher kein Zufall, daß jetzt zeitgleich zwei Bücher erschienen sind, deren Autoren sich mit dem Werdegang Ursula von der Leyens beschäftigen. Doch eigentlich sind die beiden Biographien eher eine Wette auf die Zukunft. Denn der Blick auf von der Leyens Herkunft als Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) und ihre bisherige Karriere als Politikerin dienen vor allem dazu zu klären, ob von der Leyen das Zeug dazu hat, Merkel als Bundeskanzlerin nachzufolgen.

Die beiden Autoren-Teams wissen, wovon sie schreiben. Alle vier sind Hauptstadtjournalisten und verfolgen den Aufstieg Ursula von der Leyens von der Kommunalpolitikerin im niedersächsischen Sehnde, über den Posten als Sozialministerin in Hannover bis hin zur Bundesministerin in Berlin bereits seit Jahren. Wie nahe die Autoren der Ministerin dabei kommen, lassen vor allem die Zeit-Redakteure Elisabeth Niejahr und Peter Dausend die Leser wissen. Am Anfang ihres Buches schildern sie anschaulich, wie einer von ihnen von der Leyen in ihr Privathaus in Niedersachsen begleiten darf und dabei erlebt, wie die Ministerin Telefongespräche von weltpolitischem Gewicht führt und gleichzeitig für die Gäste Nudeln kocht. Am Ende wissen selbst die Autoren nicht mehr – war das jetzt wieder nur eine Inszenierung oder war das authentisch?

In dieser Unsicherheit sind sich beide Bücher einig. Trotz aller Gespräche mit Vertrauten und Weggefährten, jahrelangen eigenen Beobachtungen, läßt sich die Frage, wer Ursula von der Leyen eigentlich ist und was sie will, nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Dennoch schwingt in beiden Büchern immer auch Bewunderung für das politische Talent und die scheinbar unerschöpfliche Ener-gie der siebenfachen Mutter mit.

Sowohl Dausend/Niejahr als auch die Focus-Journalisten Demmer/Goffart lassen denn auch keinen Zweifel daran, daß Ursula von der Leyen, die in der CDU zwar nicht sehr beliebt sei, aber immer respektiert werde, das Zeug hat, Angela Merkel als Bundeskanzlerin nachzufolgen. Dabei sei es kein Hindernis, daß sie an politischen Inhalten eher wenig interessiert ist und in ihrem aktuellen Amt als Verteidigungsministerin keine Wohltaten an die Wähler verteilen kann. Politiker, davon sind zumindest Dausend und Niejahr überzeugt, werden nicht für ihre Verdienste gewählt, sondern für die Erwartungen, die sei bei den Wählern wecken: „Und Erwartungen zu wecken gehört zu den Stärken von Ursula von der Leyen.“

Peter Dausend, Elisabeth Niejahr: Operation Röschen. Das System von der Leyen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2015, gebunden, 240 Seiten, 19,99 Euro

Ulrike Demmer, Daniel Goffart: Kanzlerin der Reserve. Der Aufstieg der Ursula von der Leyen. Berlin Verlag, Berlin 2014, gebunden, 240 Seiten, 19,99 Euro

Foto: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im August 2014 auf dem Fliegerhorst Hohn in Schleswig-Holstein: Jeansjacke von der Tochter geborgt Frauenkirche: Stadtreinigung sorgt vorher für Ordnung

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen