© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Heftiges Flügelschlagen
AfD: „Erfurter Resolution“ löst neuen Richtungsstreit aus
Marcus Schmidt

Spätestens seit dem Wochenende dürfte mancher in der AfD sich wünschen, daß der für Juni angesetzte Bundesparteitag doch lieber wie ursprünglich geplant bereits im April stattfindet. Denn die Partei droht erneut im Streit zu versinken.

Eine neue Runde im parteiinternen Streit wurde am Wochenende im beschaulichen Arnstadt in Thüringen eingeläutet. Auf ihrem Parteitag beschloß die Landes-AfD unter Fraktionschef Björn Höcke die sogenannte „Erfurter Resolution“. Nach Ansicht der Unterzeichner drohe die Partei durch eine fortschreitende Anpassung an den politischen Mainstream ihren Charakter als Alternative zu den etablierten Parteien zu verlieren. Durch eine thematische Einengung setze die AfD zudem ihre Daseinsberechtigung aufs Spiel. Bis zum Dienstag hatten nach Angaben der Initiatoren, unter ihnen auch der AfD-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, mehr als tausend Parteimitglieder die Resolution unterzeichnet. Und mit jeder Unterschrift wird der Graben innerhalb der AfD breiter.

„Die Reaktionen sind überwältigend“, sagte Höcke, der seinen Vorstoß schon jetzt als Erfolg für sich verbuchen kann, der JUNGEN FREIHEIT. AfD-Sprecher Bernd Lucke kommt der nun erneut aufgebrochene Richtungsstreit höchst ungelegen. Gerade erst hatten sich die Wogen nach der von ihm initiierten Entlassung des Bundesgeschäftsführers Georg Pazderski (JF 12/15) wieder etwas geglättet.

Mit Blick auf die „Erfurter Resolution“ warnte Lucke Anfang der Woche denn auch vor Flügelkämpfen in der Partei. „Ich bedaure, daß sich einige Mitglieder hier als Flügel empfinden. Die AfD braucht keine Flügel, denn Flügel führen zu Flügelkämpfen“, sagte Lucke der JUNGEN FREIHEIT. Die AfD habe klare politische Ziele und Positionen, die von der großen Mehrheit der Mitglieder getragen würden. „Eine andere AfD wird es nicht geben, denn der Erfolg der AfD ist unverbrüchlich mit den politischen Zielen verbunden, die sich in unseren Programmen und Leitlinien finden“, verdeutlichte er.

Wesentlich schärfer formulierte AfD-Vize Hans-Olaf Henkel seine Kritik. Die AfD werde „als sektiererische Rechtsaußenpartei, die sich auf völkisches Gedankengut reduziert und Ausländerfeindlichkeit unter dem Deckmantel der Opposition gegen die verbreitete ‘Political Correctness’ im Land in Kauf nimmt“, nicht erfolgreich sein, warnte er mit Blick auf die Resolution. Mit so einem Kurs würden die Chancen in den westlichen Bundesländern zunichte gemacht

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Papier bereits prominente Unterstützung bekommen. „Die Verfasser und Erstunterzeichner dieser Resolution haben vollkommen recht“, begründete AfD-Vize Alexander Gauland seine Unterschrift. Er teile die Sorge um das Ansehen der Partei und trage die Resolution „ohne Wenn und Aber“ mit. Luckes Ko-Sprecherin Frauke Petry reagierte dagegen zurückhaltend. „Die Wahrnehmungen in den verschiedenen Landesverbänden sind naturgemäß unterschiedlich. Unsere Aufgabe im Bundesvorstand ist es, diese zusammenzuführen“, sagte sie.

Auch wenn die Resolution in der Partei mittlerweile als eine Art Manifest des nationalkonservativen Flügels wahrgenommen wird, geht es Höcke nicht alleine um eine inhaltliche Positionierung. Der 42 Jahre alte Politiker, der sich als Idealisten bezeichnet, stört sich vor allem am Politikstil in der AfD. „Nach meiner Beobachtung wird in der Partei viel Zeit für Hintergrundgespräche und die Durchsetzung von Einzel- und Sonderinteressen verschwendet“, sagte Höcke. Diese „Strippenzieherei“ rieche „sehr etabliert“. Dies sei auch der Grund, warum er sich im Streit um die Führungsstruktur zurückgehalten habe. „Ich habe die Sorge, daß der Kurs der AfD zu schnell in konventionelle Bahnen geraten könnte“, warnte er.

Ähnlich steht es auch in der Resolution: „Die Bürger haben uns gewählt, weil sie hoffen, daß wir anders sind als die etablierten Parteien: demokratischer, patriotischer, mutiger. Anstatt nun jedoch die Alternative zu bieten, die wir versprochen haben, passen wir uns ohne Not mehr und mehr dem etablierten Politikbetrieb an: dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes“, heißt es in dem Papier. Außerdem wird kritisiert, daß sich die AfD in ihrem politischen Handeln ängstlich an dem orientiere, was ihr von der Öffentlichkeit als Spielraum zugewiesen werde. „Wir zeigen zu oft jenen vorauseilenden Gehorsam, der die Verhältnisse, gegen die wir angetreten sind, nicht verändert, sondern zementiert.“ Zudem habe sich die AfD von „bürgerlichen Protestbewegungen ferngehalten und in vorauseilendem Gehorsam sogar distanziert“, obwohl Tausende AfD-Mitglieder sich daran beteiligt hätten, heißt es offenbar mit Blick auf Pegida.

Dies sei ein fatales Signal für einen „Umbau der AfD zu einer technokratisch ausgerichteten Partei“, konstatieren die Unterzeichner. Dies sei nicht im Sinne vieler Mitglieder, die die AfD immer noch als patriotische und demokratische Alternative zu den etablierten Parteien verstünden. Die Enttäuschung über das fehlende Bekenntnis der Partei zu einer grundsätzlichen politischen Wende ist mit Händen zu greifen.

Kommentar Seite 2

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