© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Dem Leben zugewandt
Der romantische Briefwechsel von Dietrich Bonhoeffer
Herbert Ammon

Die unerfüllte Liebesbeziehung Dietrich Bonhoeffers und Maria von Wedemeyers wurde 1992 dank Publikation der „Brautbriefe Zelle 92“ zum Gegenstand der Widerstandsliteratur. Ins protestantische Milieu zielten Sätze des Bonhoeffer-Freundes und -Biographen Eberhard Bethge, der den Briefwechsel als eine Art Prolog zu den Gefängnistexten deutete, „jenen Sätzen (…), die im Sommer 1944 eine zum Diesseits befreite Theologie in die Welt bringen, mit ungeahnter Tiefen- und Breitenwirkung!“ Das Zitat dient als „Epilog“ des schmalen Bandes, den Renate Wind, Autorin einer 1990 erschienenen Bonhoeffer-Biographie, verfaßt hat.

Das Buch ist der zu einem biographischen Essay zu Maria von Wedemeyer (1924–1977) erweiterte Extrakt einer 2006 publizierten Schrift über die beiden Liebenden. Eingefügt sind Texte der „Brautbriefe“, darunter Marias „Verlobungsbrief“ vom 13. Januar 1943 und Bonhoeffers Weihnachtsbrief 1944 mit dem Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Wie Bethge liest die Autorin aus den Briefen und Tagebucheinträgen der beim Kennenlernen 1942 auf dem Gut der Kleist-Retzows bei Stettin gerade 18jährigen Maria und des doppelt so alten Bonhoeffer „den Zusammenhang zwischen einer solchen neuen Lebens-Erfahrung (!)“ und der „‘Theologie der Gefängnisbriefe’ mit ihren lebenszugewandten und befreiungstheologischen Ansätzen“ heraus. Die Herausgeberin der „Brautbriefe“, Ruth-Alice von Bismarck, die Schwester Marias, begann „zu ahnen, daß auch Liebesbeziehungen zur materiellen Basis theologischen Denkens gehören“.

Das ist erbaulich, nicht erhellend. Bei der Textauswahl stört der Umgang mit der Chronologie, wesentlich für die Interpretation im Blick auf die von Bonhoeffer bis zum 20. Juli erwartete Befreiung. In den Passagen zu Maria von Wedemeyer vermißt der Laie einige Erläuterungen, etwa zur hochkirchlichen Bewegung von „Berneuchen“, der ihr Vater, der im August 1942 vor Stalingrad gefallene Hans von Wedemeyer angehörte. Über den ersten Ehemann Paul Werner Schniewind, der mit ihr 1949 in die USA ging, ist nichts zu erfahren. Die erfolgreiche Mathematikerin Maria starb nach zwei gescheiterten Ehen 1977 an Krebs.

Renate Wind, Michael Kuch: Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer. Geschichte einer Sehnsucht in Texten und Tönen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, 80 Seiten, mit Audio-CD, 16,99 Euro

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