© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/15 / 13. März 2015
Wildwest an der Wall Street Millionenstrafen für europäische Banken und Unternehmen in den USA häufen sich. Im Einzelfall buchen Firmen die Strafen als Betriebskosten, die eben bei Geschäften in Übersee anfallen. Doch ihre Häufung sollte eigentlich eine Debatte über Souveränität und die extraterritoriale Anwendung amerikanischer Gesetze auslösen. Strafen in für europäische Beobachter ungewohnten Dimensionen sind in den USA keine Seltenheit. Allein die sechs größten amerikanischen Banken haben seit der Finanzkrise über 100 Milliarden Dollar an Strafen gezahlt. Besonderes pikant: Viele der Strafen haben mit kleineren Vorgängerinstitutionen zu tun, die während der Krise auf Anraten der Aufsichtsbehörden übernommen und gerettet wurden. Beispiel Bank of America: Sie übernahm im Juli 2008 die kurz vor der Pleite stehende Countrywide Financial. Alle der seitdem von ihr gezahlten Strafen gehen auf Geschäfte der Countrywide von vor der Übernahme zurück. Die Deutsche Bank hatte ähnliches Pech. Sie kaufte im Januar 2007, also pünktlich zum Beginn der Krise, die Hypothekenfirma MortgageIT samt Altlasten, die ihr 2012 eine Strafe von 202 Millionen Dollar einbrachten. Amerikanische Staatsanwälte sind ein besonderer Menschenschlag. Ein hohes Renommee genießt, wer nie einen Prozeß verliert. Sie besitzen absolute Immunität, auch bei Fehlverhalten drohen ihnen keinerlei Sanktionen, nicht einmal zivilrechtliche. Kein Wunder, daß Unterdrückung von entlastenden Beweisen und Erpressung falscher Zeugenaussagen bei manchen zum Alltag gehören. In den vergangenen Jahren konnten sogar Todeskandidaten freigesprochen werden, als sich mit langer Verspätung endlich herausstellte, daß die Staatsanwaltschaft zu ihrer Verurteilung geschummelt hatte. Besonders aggressiven Strafverfolgern winkt eine Karriere in der Politik. So brachte es der ehemalige Chefankläger Eliot Spitzer, der sich mit harten Schritten gegen Investmentbanken und Prostitution einen Namen gemacht hatte, zum Gouverneur des Staates New York und potentiellen demokratischen Präsidentschaftsanwärter. Sein politisches Ende: Spitzer unterschlug Wahlkampfgelder und finanzierte damit – ausgerechnet – die Dienste einer Prostituierten. Der Gipfel der Kungelei: Seine ehemaligen Kollegen verzichteten auf strafrechtliche Schritte. Es ist klar, daß ausländische Firmen in so einem Umfeld leichte Beute sind. Wirtschaftsgesetze werden immer komplizierter Abgesehen von BNP Paribas und Schweizer Banken sind europäische Institute bisher halbwegs glimpflich davongekommen. Doch das wird sich ändern. Wirtschaftsgesetze und -sanktionen werden immer strenger und undurchsichtiger, so daß es häufig zu Regelverstößen kommt. Dazu kommen unterschiedliche Gesetze zwischen Europa und den USA, die gelegentlich im Widerspruch zueinander stehen. Und im schlimmsten Fall kommt es wie beim Schweizer Bankgeheimnis, dessen Bruch von amerikanischen Staatsanwälten unter Androhung drakonischer Strafen erzwungen wurde. Was gestern beim Bankgeheimnis geschah, kann morgen schon beim Datenschutz oder in anderen Bereichen passieren. Im Extremfall kann dann ein Urlaub auf Kuba oder eine Reise in den Iran in einem US-Gefängnis enden. Solange der internationale Zahlungsverkehr in Dollar über die amerikanische Zentralbank abgewickelt wird, bildet dies die Rechtsgrundlage zur extraterritorialen Anwendung örtlicher Gesetze. Nicht nur Finanzinstitute sind Opfer. Auch Siemens und andere Industrieunternehmen mußten in den USA Strafen zahlen, meist wegen Bestechung in Drittländern, was in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt noch nicht strafbar war. Nun ließe sich argumentieren, daß diese Firmen sich mit ihrer Börsennotierung in New York freiwillig amerikanischen Gesetzen unterworfen haben. Doch auch ohne einen solchen freiwilligen Schritt kann man in die Fänge der amerikanischen Justiz geraten. Aus England wurden gar britische Manager, (bekannt als „NatWest Three“) nach Texas ausgeliefert, dort inhaftiert und schließlich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, obwohl sie bei einer britischen Bank angestellt waren, ihr Vergehen in London stattgefunden hatte und von den dortigen Behörden nicht verfolgt wurde. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Angestellte deutscher Firmen wegen extraterritorial angewandter Gesetze in einen amerikanischen Knast wandern. Doch keinen deutschen Politiker juckt das. Die geben schon klein bei, wenn ihnen wegen ihrer Arbeit im NSA-Untersuchungsausschuß mit Strafverfolgung wegen Spionage gedroht wird. So geschehen vor einem Jahr, als der Washingtoner Anwalt Jeffrey Harris ein Gutachten für die Bundesregierung verfaßte. Aussage: Wenn deutsche Abgeordnete Edward Snowden verhörten, dann könnte das als Beihilfe zum Geheimnisverrat gewertet werden. Edward Snowden wurde daraufhin nicht in Deutschland verhört.
Die zehn höchsten Strafen gegen Banken in den USA Strafe: (in US-Dollar) 25 Milliarden Jahr: 2012 Bank: Wells Fargo, JP Morgan Chase, Citigroup, Bank of America, Ally Financial Grund: Probleme bei Zwangsvollstreckungen; Betrag beinhaltet Strafzahlungen und Entschädigungen
Strafe: 16,65 Milliarden Jahr: 2014 Bank: Bank of America Grund: Verkauf von Hypothekenwertpapieren
Strafe: 13 Milliarden Jahr: 2013 Bank: JP Morgan Chase Grund: Verkauf von Hypotheken
Strafe: 9,3 Milliarden Jahr: 2013 Bank: 13 amerikanische Banken Grund: Unberechtigte Zwangsvollstreckungen
Strafe: 9 Milliarden Jahr: 2014 Bank: BNP Paribas Grund: Verstoß gegen Sanktionen. 13 Manager mußten gehen.
Strafe: 8,5 Milliarden Jahr: 2011 Bank: Bank of America Grund: Faule Hypothekenwertpapiere
Strafe: 2,6 Milliarden Jahr: 2014 Bank: Credit Suisse Grund: Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Strafe: 2,4 Milliarden Jahr: 2014 Bank: Citibank, HSBC Bank, JP Morgan Chase Bank, The Royal Bank of Scotland, UBS Grund: Manipulation von Wechselkursen. Zusätzlich 1,9 Milliarden Dollar Strafzahlungen in Großbritannien und der Schweiz.
Strafe: 1,9 Milliarden Jahr: 2012 Bank: HSBC Grund: Unzureichende Kontrollen gegen Geldwäsche
Strafe: 1,5 Milliarden Jahr: 2012 Bank: UBS Grund: Libor-Manipulation |