© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Netanjahu wähnt sich als Babysitter
Israel: Wenige Tage vor den Parlamentswahlen sucht der Premier die Likud-Reihen zu schließen / Gegenspielerin Livni wittert Morgenluft
Manfred Friedrich

Ein Ehepaar will ausgehen, wartet ungeduldig auf den Babysitter. Endlich klingelt es. An der Tür steht: Premierminister Benjamin Netanjahu, der sich anbietet, die Kinder zu hüten. „Entweder ich oder Bougie und Tzipi“, stellt Netanjahu das verdutzte Paar in dem Likud-Wahlwerbespot vor die Entscheidung. „Bougie? Oh nein, unsere Kinder müßten auf ihn aufpassen“, winkt der Mann ab. „Da haben wir kein Haus mehr, wenn wir zurückkommen“, wirft seine Frau ein, während Netanjahu ergänzt: „Und Tzipi ist längst bei den Nachbarn, wenn ihr zurückkommt.“ Ein Seitenhieb auf Tzipi Livnis zahlreiche Parteiwechsel. Unter anderem ihre Entlassung als Justizministerin hat die vorgezogene Parlamentswahl nötig gemacht. Die einstige Ziehtochter von Ariel Scharon ist nach ihrem Austritt aus dem Likud über die Kadima-Partei und die von ihr gegründete „Hatnua“ (Die Bewegung) nun in den Armen der Arbeitspartei gelandet und führt zusammen mit deren Chef Isaac Herzog (Spitzname: Bougie) die „Zionistische Union“ an. Für den Fall eines Wahlsiegs haben beide vereinbart, sich das Amt des Ministerpräsidenten zu teilen und jeweils zwei Jahre die Regierung zu führen.

Der Spot paßt zum Motto von Netanjahus Likud für die am 17. März anstehende Knessetwahl: Entweder wir oder sie. Eine Richtungsentscheidung, möchte er suggerieren und so seine Anhänger mobilisieren. Das scheint bitter nötig, denn seit Wochen herrscht in den Umfragen kaum Bewegung. Daran hat auch Netanjahus von der Opposition als Wahlkampfmanöver gescholtene Rede vor dem US-Kongreß nichts geändert.

Der Likud und die Zionistische Union liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Aber selbst wenn letztere als stärkste Fraktion in die nächste Knesset einzieht, bedeutet das nicht, daß Präsident Reuven Rivlin sie auch mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Zwar sieht es nicht so aus als könne Netanjahu, gestützt allein auf das rechte Lager – zusammen mit der national-religiösen Partei „Jüdisches Haus“, den möglicherweise drei ultraorthodoxen Fraktionen und der Partei seines Außenministers Avigdor Lieberman – eine Regierung bilden. Die beiden Zentrumsparteien, „Yesh Atid“ (Es gibt eine Zukunft) und die Neugründung „Kulanu“ (Wir alle) böten sich allerdings als Verstärkung an.

Gerade bei der vom früheren Sozialminister Moshe Kahlon geführten Kulanu-Partei handelt es sich um Fleisch vom Fleisch des Likud. Zehn Jahre saß der Kritiker von Netanjahus Wirtschaftspolitik für dessen Partei in der Knesset. Nun schielt er auf das Finanzministerium und verspricht eine Senkung der Verbraucherpreise durch die Beseitigung von Monopolen und Entbürokratisierungen. Die Zionistische Union würde hingegen selbst im Verbund mit beiden Zentrumsparteien eine Mehrheit von 61 Sitzen klar verfehlen. Es ist also davon auszugehen, daß der alte auch der neue Premier sein wird.

Bereits vor der Wahl steht ein Verlierer fest. Außenminister Lieberman, dessen von einem Korruptionsskandal geplagte Partei „Israel unser Haus“ derzeit über 13 Abgeordnete verfügt, sagen Umfragen einen Absturz auf bis zu fünf Mandate voraus. Damit würde der rechte Hardliner nur knapp die neue 3,25-Prozent-Hürde (bisher zwei Prozent) überspringen, mit der der damals sogar auf den Premierministersessel schielende gebürtige Moldawier eigentlich die ihm verhaßten arabischen Parteien aus der Knesset drängen wollte. Die drei ideologisch so unterschiedlichen Parteien von Israels größter Minderheit haben ihm diesen Gefallen nicht getan und sich zu einer gemeinsamen Liste zusammengeschlossen, die im neuen Parlament sogar drittstärkste Kraft werden könnte.

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