© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Die Angst, als rassistisch zu gelten
Kindesmißbrauch in England: Nach Rotherham zeigen sich nun auch in Oxfordshire die Abgründe der Politischen Korrektheit
Fabian Schmidt-Ahmad

England steht unter Schock. Fast im Wochentakt wird das Land von Sexskandalen erschüttert. Sprachlos erscheint es in doppelter Hinsicht, denn hat aus der Sicht der Politischen Korrektheit ein Täter stets heterosexuell und weiß zu sein, so geht diese Ideologie schweren Zeiten entgegen.

Da wären die pädophilen Umtriebe von Dutzenden amtierenden und ehemaligen Mitgliedern des Ober- und Unterhauses, welche sich in den 1970er und 1980er Jahren an Kindern vergriffen haben sollen. Ranghohen Politikern wird eine großangelegte Vertuschung der Taten vorgeworfen. Gerüchte über drei ermordete Jungen machen die Runde. Ein Augenzeuge berichtet, er habe bei einer Sexorgie gesehen, wie ein Zwölfjähriger von einem Abgeordneten erdrosselt worden sei. Ein von der Polizei damals bereits erstelltes Dossier verschwand 1980 spurlos. Nun wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen.

Liegen diese Verbrechen Jahrzehnte zurück, so ist kaum glaublich, was sich britische Behörden in den vergangenen Jahren an Verheimlichungen erlaubten. Es geht um die Zwangsprostitution weißer Mädchen, deren Peiniger aufgrund ihrer zumeist pakistanischen Herkunft unbehelligt blieben. Alleine in Rotherham sollen 1.400 Kinder in ihre Fänge geraten sein. Doch Rotherham ist nur ein Ort von vielen. Im Oktober vergangenen Jahres stellte eine Untersuchung für den Großraum Manchester fest, daß in verschiedenen Stadtteilen ähnliche Zustände herrschten. Aus Angst, als „rassistisch“ gebrandmarkt zu werden, wurde beiseite geschaut.

Ein vor wenigen Tagen veröffentlichter Bericht wirft den Behörden der Grafschaft Oxfordshire vor, bei der sexuellen Ausbeutung von mindestens 373 minderjährigen weißen Mädchen systematisch weggeschaut zu haben. Premier David Cameron (Tory), dessen Wahlkreis in der Grafschaft liegt, lud Opfer zu einem Gespräch und sprach von einem Mißbrauch „im industriellen Ausmaß“ und einer „nationalen Bedrohung“.

Vergewaltigt und zur Prostitution verschleppt

Das Vorgehen der Täter war stets ähnlich. Als Opfer wurden meist gezielt Mädchen der weißen Unterschicht ausgesucht, denen durch aggressives Nachstellen Zuneigung vorgespielt wurde („grooming“). Durch Gewalt, Drogen und Alkohol wurden diese gefügig gemacht und in Tauschringen herumgereicht. Um Nachforschungen der Angehörigen zu erschweren, wurden die Mädchen oft auch in andere Städte verschleppt. Vor der Polizei mußten sich die Täter dabei kaum in acht nehmen.

„Was mit den minderjährigen Opfern der sexuellen Ausbeutung in Oxfordshire passierte, war unbeschreiblich grausam“, sagte der Autor der Studie, Alan Bedford, laut Nachrichtenagentur AFP. Folter und Gruppenvergewaltigungen waren gang und gäbe. Die jüngsten Opfer waren elf Jahre alt. Anlaß für die Untersuchung war im Jahr 2013 die Verurteilung von neun Männern pakistanischer und somalischer Herkunft zu mehrjährigen Haftstrafen. Der Bericht bestätigt, nur einen Teil der Taten erfaßt zu haben.

Schwere Vorwürfe erhob der Bericht gegenüber den Behörden in Oxfordshire. Obwohl seit 2007 klar war, daß in der Grafschaft organisierte Banden auf Jagd gingen, wurde nichts unternommen. Aussagen der Opfer sowie von Familienangehörigen schenkte man keinen Glauben. In der Daily Mail schildert eine Mutter, wie staatliche Einrichtungen ihr Kind in ein Jugendheim einwiesen.

Ihre Tochter sei von dort aus regelmäßig nach London zur Prostitution verschleppt worden. „Niemand dort hat nach ihr geschaut. Dieses Heim war völlig ahnungslos.“ Sie selbst habe auf den Straßen von Oxford nach der damals Vierzehnjährigen gesucht, da sich Polizei und Sozialeinrichtungen weigerten. Als sie protestierte, habe man ihr wegen ihres „renitenten Verhaltens“ gedroht.

„Kinder wurden ignoriert, manchmal selbst beschuldigt und Vorfälle unter den Teppich gekehrt“, empörte sich Cameron. „Häufig aufgrund einer verzerrten und fehlgeleiteten Politischen Korrektheit.“ Der Premier kündigte eine Gesetzesinitiative der Regierung an, die Sanktionen bis zu Haftstrafen von fünf Jahren für staatliche Mitarbeiter vorsieht, wenn diese kriminelle Handlungen gegenüber Kindern und Jugendlichen „willentlich ignorieren“.

Meinungsbeitrag Seite 2

Foto: K. Jamil, Akhtar Dogar, Anjum Dogar, A. Hussain, M. Karrar, B. Karrar, M. Hussain, Z. Ahmed und B. Ahmed (v.l.): Die Pakistaner und Somalis wurden bereits im Frühjahr 2013 verurteilt

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