© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Draußen vor der Tür
Terrorismus: Während der NSU-Prozeß Beate Zschäpe körperlich immer mehr zusetzt, demonstrieren vor dem Gericht ihre Unterstützer
Hinrich Rohbohm

Es ist ein Novum in dem seit April 2013 laufenden NSU-Prozeß: Rechtsradikale haben sich in der Nähe des Eingangs zum Münchner Oberlandesgericht zu einer Solidaritätskundgebung für den Angeklagten Ralf Wohlleben versammelt. Und damit der linksradikalen Szene einen großen Dienst erwiesen.

Der Grund: Schon seit längerem klagen linksradikale Organisationen über Mobilisierungsprobleme im Verlauf des Prozesses. Immer weniger ihrer Anhänger wohnten im Verlauf der sich über Wochen, Monate und nun schon Jahre hinziehenden, oft zermürbend und zäh verlaufenden Verhandlung bei. Das aus zahlreichen linksextremistischen Gruppen bestehende sogenannte „Bündnis gegen Naziterror“ hatte schon vor mehr als einem Jahr darüber lamentiert, daß die „Szene“ zuwenig Druck mache, und offen darüber nachgedacht, Leute aus anderen Städten nach München zu holen, um bei Protesten zahlenmäßig stärker auftreten zu können.

Somit kam die Ankündigung einer rechtsextremistischen Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude wie gerufen, um den erlahmten Protesten gegen Staat und Verfassungsschutz neues Leben einzuhauchen. „Schluß mit dem NSU-Schauprozeß – Freiheit für Ralf Wohlleben“ lautete das Motto, unter dem die Partei „Die Rechte“ zur Demonstration aufgerufen hatte. Diese „Neonazikundgebung“ sei „eine ungeheure Provokation für alle Opfer des NSU und ihre Angehörigen“, verkündete darauf das „Bündnis gegen Naziterror“, das es als „völlig unverständlich“ ansieht, daß das zuständige Münchner Kreisverwaltungsreferat kein Verbot der Veranstaltung erwogen habe.

Es dürften vielmehr Krokodilstränen gewesen sein, die das Bündnis vergoß. Denn die Rechtsradikalen-Demo lieferte der linken Szene ebenso willkommenen Anlaß, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren wie linken Kommunalpolitikern: „Das ist nur schwer zu ertragen“, läßt sich die Münchner SPD-Stadträtin Beatrix Zurek in der Lokalpresse zitieren, auch darüber echauffierend, warum eine solche Demonstration genehmigt werde. Dominik Krause von den Grünen sekundiert: „Mit dieser widerwärtigen Kundgebung zeigt die Münchner Neonaziszene erneut ganz offen den aus ihrem Rassismus hervorgehenden Vernichtungswillen.“

Tatsächlich hatte das Kreisverwaltungsreferat noch versucht, die Kundgebung auf die gegenüberliegende Straßenseite zu verlegen. Die Veranstalter um den einschlägig vorbestraften Rechtsextremisten Philipp Hasselbach hatten dagegen jedoch erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof geklagt. Schnell aber wird klar: Die Demonstration entpuppt sich als Sturm im Wasserglas. Gerade einmal zehn Rechtsextremisten haben sich eingefunden. Den Prozeß bezeichnen sie als „Farce“. Einige haben sich vermummt, andere tragen große dunkle Sonnenbrillen. Als Redner tritt Philipp Hasselbach auf, der die Angeklagten als „Helden“ bezeichnet.

Hasselbach ist in der rechtsextremen Szene kein Unbekannter. Unter anderem fungierte er als „Stützpunktleiter“ des rechtsextremistischen Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS) in Essen. Die 1999 in Brandenburg von dem Nationalbolschewisten und ehemaligen KPD/ML-Mitglied Michael Koth gegründete Organisation zählte neben Joseph Goebbels und Ernst Thälmann den einstigen PLO-Führer Jassir Arafat und den kommunistischen Diktator Kim Jong-il zu ihren Vorbildern. Heute ist Hasselbach in der Partei „Die Rechte“ aktiv, beteiligt sich zudem an den Demonstrationen des Münchner Pegida-Ablegers „Bagida“. Auch die Gruppe der zumeist linksradikalen Gegendemonstranten fällt mit etwa 50 Teilnehmern eher spärlich aus. Mit einem Pfeifkonzert versuchen sie Hasselbachs Rede zu unterbinden. Bereits im Vorfeld hatte das „Bündnis gegen Naziterror“ dazu aufgerufen, möglichst zahlreich als Besucher am Prozeß teilzunehmen, um zu verhindern, daß Neonazis der Verhandlung beiwohnen können.

Ein überflüssiges Unterfangen. Denn die Sitzung wurde zum Flop, Beate Zschäpe meldete sich krank. Es ist nicht das erste Mal, daß die Hauptangeklagte aus gesundheitlichen Gründen dem Prozeß fernbleibt. Vor allem ist es nicht das erste Mal, daß so etwas geschieht, wenn Leute aus dem Umfeld des einstigen V-Mannes und Zeugen „Piatto“ zur Aussage angekündigt sind.

Es kommt nicht häufig vor, daß Zschäpe dem Prozeß ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Doch „Piattos“ Aussage verfolgte sie mit hohem Interesse. Ihr Laptop, mit dem sie sich sonst meistens beschäftigt, blieb verschlossen. „Piattos“ Vorgesetzter war einst der heutige Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath. Der 46jährige sollte einen Tag nach der Erkrankung Zschäpes vor Gericht als Zeuge gehört werden. Der Vorsitzende Richter Man-fred Götzl hatte ihn jedoch aufgrund des Fehlens von Zschäpe wieder ausgeladen.

Uwe Böhnhardt als „Black Box“

Die war nun plötzlich wieder genesen, was Zufall gewesen sein mag. Tatsächlich wirkt ihr Gesicht auffallend fahl in diesen Tagen. Der Prozeß und die mehr als dreijährige Untersuchungshaft scheinen ihr zu schaffen zu machen. Unterdessen sagte mit Christian K. ein Zeuge aus, der inzwischen mit dem Rechtsextremismus gebrochen hat. Der 34jährige hatte sich einst im Umfeld des mutmaßlichen Terror-Trios bewegt. Er ist der Bruder von André K., der eine enge Verbindung zum Trio gehabt haben soll. Der heute als Software-Entwickler arbeitende Zeuge beschreibt Uwe Mundlos als „intelligent“ und „eloquent“. Böhnhardt hingegen sei für ihn eine unberechenbare „Black Box“ gewesen, dessen Stimmung schnell von Heiterkeit in Aggression umschlagen konnte. Beate Zschäpe habe er als „nicht besonders intelligent“ wahrgenommen.

Ein Beleg dafür könnte auch eine Frage des Vorsitzenden Richters an die Angeklagte sein. „Haben Sie die Ausführungen des Zeugen verstanden?“ will Götzl wissen. Zschäpe spricht kurz mit ihren Anwälten. Dann schüttelt sie den Kopf. Götzl wirkt genervt. „Wir hatten doch vereinbart, daß sie sich sofort melden, wenn sie etwas nicht verstehen. Dann hören wir den Zeugen eben noch einmal“, sagt der Richter und schüttelt nun auch leicht mit dem Kopf.

Foto: Rechtsextremist Philipp Hasselbach vor dem Gericht in München: Goebbels und Arafat als Vorbilder Frauenkirche: Stadtreinigung sorgt vorher für Ordnung

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