© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Miriam Gebhardt. Ihr Buch über alliierte Vergewaltigungen
1945 sorgt für Aufsehen Vergessene Täter
Stefan Scheil

Die Ukraine-Krise hat die Frage nach Krieg und Frieden und Deutschlands Verhältnis zu West und Ost neu aufgeworfen. Das treibt merkwürdige Blüten. So jedenfalls muß man wohl die laute Debatte um die Konstanzer Historikerin Miriam Gebhardt und ihr neues Buch „Als die Soldaten kamen“ verstehen. Es geht darin um Vergewaltigungen deutscher Frauen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.

Gebhardt habe mit ihrer Darstellung ein „Tabu“ gebrochen, dröhnte es vom Deutschlandfunk bis zur Bild-Zeitung. Das zeugt zunächst einmal von souveräner Ignoranz gegenüber den zahlreichen Büchern, die in den letzten Jahren zu diesem Thema erschienen sind.

Für die 1962 geborene Autorin selbst ist der Stoff ein ungewohntes Feld. Gebhardt hat als Journalistin begonnen, mit einer Arbeit über Erinnerungsgeschichte promoviert und ist nun Professorin in Konstanz. Sie hat sich mit kritischen Veröffentlichungen zum Feminismus der Marke „Alice Schwarzer“ einen Namen gemacht. „Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“, lautete deren Titel vor wenigen Jahren. Gebhardt plädierte darin für „Differenzfeminismus“ und brachte bei aller eigenen Verbundenheit mit den bekannten Gender-Vorstellungen doch etwas Intelligenz in die Rollen-Debatte: „Kinder kriegen ist dann nicht nur die ‘Mutterfalle’, zu Hause kochen ist schön, Prostitution kann auch ein Beruf sein, Frauen mit Kopftuch sind nicht automatisch Opfer“, beschrieb die Kritik ihre Position.

Inhaltlich gesehen drückt das neue Buch über die Vergewaltigungen deutscher Frauen zunächst einmal die Menge der Opfer in zeittypischer Weise nach unten. Ihre Berechnung von 860.000 betroffenen Frauen sei sehr viel niedriger als die bisher genannten Zahlen, betont Gebhardt. Möglicherweise liegt das an der akrobatischen Berechnungsweise, die von der Zahl ungewollter Schwangerschaften auf durchschnittlich zugrunde liegende Vergewaltigungen schließt. Neu ist auch, und das darf man wohl als politisches Signal werten, daß die Sieger aus Ost und West gleichermaßen als Täter belastet werden. Gebhardt streitet eine besondere Neigung der Roten Armee zu Vergewaltigungen schlicht ab. Das seien verschrobene Vorstellungen des Kalten Krieges. Es habe auch keine sowjetischen Aufrufe zu Vergewaltigungen gegeben, behauptet sie.

Hier paart sich dann die Ahnungslosigkeit im Detail mit einem beachtlichen Anspruch darauf, geschichtspolitische Grenzen zu überschreiten. Nun auch Deutsche als Opfer anzusprechen, sei „nicht selbstverständlich“. So viel ist sicher richtig. Allerdings ist Gebhardt weit davon entfernt, von pauschalen Schuldvorwürfen an die deutsche Gesellschaft abzurücken. Deren Umgang mit den Vergewaltigungsopfern habe sie „noch mehr verstört“ als die Taten selbst, gibt sie zu Protokoll. Da ist sie dann wieder, die deutsche Nabelschau, Ukraine hin oder her.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen