|
© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/15 / 06. März 2015
Der Flaneur Also, ich finde es ja liebenswert, wie zerstreut ich bin, man hat halt so seine Schwächen, und ich habe kein Problem damit, sie zuzugeben. Heutzutage muß man das nicht verstecken, weil man sich dafür ja nicht zu schämen braucht, also für Schwäche, jeder hat so seine Schwächen. Aber doch habe ich den Eindruck, daß jetzt gerade nur ich durch dieses unübersichtliche Parkhaus irre, eines von sechs im Hürth-Park, ich ärgere mich schon ein wenig, aber brauche ich ja nicht, weil – wie gesagt. Drittes Parkdeck. Kurzer Blick auf das Smartphone und immer noch keine likes. Also gehe ich jetzt mal strategisch vor, in den Aufzug und damit in die oberste Etage, um von dort aus alle Etagen nach meinem Kleinwagen zu durchkämmen, eigentlich hatte ich ja eine Limousine der oberen Mittelklasse haben wollen, aber die Spritpreise haben einfach für den kleineren Wagen gesprochen, und man braucht so ein Auto ja tatsächlich nur, um von A nach B zu kommen. Damit hatte meine beste Freundin schon recht, mit der ich jetzt am liebsten whatsappen würde, geteiltes Leid ist halbes Leid, weiß man ja, aber ich will sie nicht nerven, also schreibe ich, während der Aufzug hochfährt, auf Facebook: „Ich so im Parkhaus, finde mein Auto nicht. Hilfe!“ Hihi, ich fühle mich schon tröstend schultergeklopft und rechne mit fünf bis sechs likes und vielleicht ein paar netten Kommentaren, immerhin eine kleine Entschädigung für diesen Ärger. Mir ist schon klar, daß die Leute nicht so wirklich Anteil nehmen, wie denn auch, ist ja alles virtuell, aber die Geste ist dann doch ganz nett, das freut mich schon ein wenig. In der vierten ist es auch nicht. Drittes Parkdeck. Kurzer Blick auf das Smartphone und immer noch keine likes, gut, meine Statusmeldung ist auch erst ein paar Minuten alt, irgendeiner wird’s schon noch sehen und mir einen kleinen Gruß dalassen. Wo ist denn jetzt mein Auto, das da hinten könnte es sein, ja, da ist es, ha!, sehr schön, Zwinkersmiley. |