© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

„Wir demontieren unsere Sprache“
Kongreß christlicher Führungskräfte: AfD-Sprecherin Frauke Petry und der Journalist Klaus Kelle diskutieren in Hamburg über Meinungsfreiheit und die Rolle der Medien
Michael Johnschwager

Die Medien in Deutschland stecken in einer doppelten Krise. Zum einen macht vor allem den gedruckten Zeitungen und Magazinen das Internet zu schaffen, zum anderen sieht sich der Journalismus insgesamt in einer Glaubwürdigungskrise. Nicht erst seitdem Bürger auf den Dresdner Pegida-Demonstrationen „Lügenpresse“ skandierten, sehen sich die Medien in der Defensive.

Kein Wunder also, daß sich auch der Ende Februar in Hamburg tagende Kongreß christlicher Führungskräfte, zu dem zahlreiche Manager, Unternehmer und Politiker in die Hansestadt gekommen waren, mit dem Thema beschäftigte. Bereits am ersten Tag widmeten sich der Journalist Klaus Kelle und die AfD-Politikerin Frauke Petry der Frage: Wieviel Meinungsfreiheit gibt es in Deutschland? Die Diskussion versprach von Anfang an spannend zu verlaufen; die Ansichten des Medienunternehmers und der Bundessprecherin der AfD sind nicht durchgehend kongruent.

Klaus Kelle machte deutlich, wie wenig er mit der vieldiskutierten Frage der Verschwörungstheorien anfangen kann und sprach stattdessen den sogenannten Kampagnenjournalismus an. Er kritisierte eine Medienlandschaft, in der Minderheitenmeinungen nicht zum Zuge kämen.

Entschieden widersprach er dem vom Publizisten Udo Ulfkotte postulierten Alarmruf, dem zufolge wir alle manipuliert würden. Diesem Vorwurf sähen sich häufig Politiker ausgesetzt, nicht in jedem Fall aber zu Recht. Bedenklich stimmt Kelle jedoch die Entwicklung, wenn Journalisten sich in allzu große Nähe von bedeutenden Wirtschaftsunternehmen begeben.

Frauke Petry äußerte sich besorgt über die Situation der Meinungsbildung junger Menschen. Sie prangert Schwarzweißmalerei an, die über Schlagworte transportiert würde. „Wir haben kein breites Meinungsspektrum“, brachte sie ihre Kritik an der Mediengesellschaft auf den Punkt und sieht hier auch Nachholbedarf bei den Parteien. Es bedürfe zunächst des gut informierten Bürgers, bevor der sich überhaupt eine Meinung bilden könne. Als unsäglich empfinde sie ein Klima, „in dem man sich nicht mehr traut, politisch zu diskutieren“.

Mit der Political Correctness kommt ein Reizthema aufs Tapet. Sprechverbote, gefühlt oder praktisch, sind der engagierten AfD-Bundessprecherin ein Dorn im Auge. Hier sekundiert ihr Kelle und nennt es grotesk, wenn selbsternannte Tugendwächter im Zigeunerschnitzel und dem Sarotti-Mohr rassistische Merkmale zu erkennen glauben.

Übereinstimmung bestand auf dem Podium, daß heute jede konservative Position als rechtsradikal gebrandmarkt werde. Petry bekannte sich ausdrücklich zu einem weltoffenen Land sowie zur vielbeschworenen Vielfalt. In diesem Zusammenhang müßten aber auch Kontroversen erlaubt sein. „Wie weit muß ich meinen Sprachgebrauch einschränken?!“ Scharf attackierte sie die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, die unlängst forderte, das Wort „Entartung“ dürfe nicht länger benutzt werden. Ihre kritische Haltung brach sich bei Petry Bahn in dem Vorwurf: „Wir demontieren unsere eigene Sprache!“ Ihr Klartext traf den Ton des Publikums, das spontan mit Applaus reagierte. Petry beschränkte sich indes nicht auf kritische Töne; aus ihr sprach die Pragmatikerin, wenn sie die großen Kirchen aufforderte, Engagement an den Tag zu legen, Journalisten auszubilden. So könne ein Gegengewicht entstehen, einseitig linkslastigen Medienvertretern nicht allein das Feld zu überlassen. Christliche Werte und das traditionelle Familienbild gerieten in den Mainstream-Medien zusehends ins Abseits.

Klaus Kelle verdeutlicht dies anhand des ARD-Dauerbrenners „Tatort“. Keiner der dort verpflichteten Kommissare sei verheiratet. Von allen erdenklichen Orten werden sie manchmal in den Dienst gerufen. Schlicht undenkbar hingegen erscheint die Vorstellung, einen Kommissar aus dem Gottesdienst zu holen.

Seinen Einstieg in die Medienwelt vollzog Kelle klassisch als Journalist. Und so wirkt der Medienprofi glaubwürdig, wenn er entschieden dafür plädiert, daß Journalisten wieder eine klare Trennlinie zwischen Berichterstattung und Kommentar ziehen müßten. Deutschlands Konservativen hält er vor, abwartend auf dem Sofa zu sitzen: „Wir müssen mehr tun!“ lautet seine Botschaft. Die Zuhörer erfahren, daß entgegen landläufiger Meinung Redaktionen sehr wohl Leserbriefe lesen und, sofern erkennbar, Trends sogar intern dokumentieren. Folglich stellt der Politikberater für Medienstrategien die Aufforderung prägnant in den Raum: „Schreiben Sie Leserbriefe!“ Abschließend unterstrich er die stetig zunehmende Bedeutung von sozialen Netzwerken, über die sich insbesondere junge Menschen auf dem laufenden halten: „Das Zeitalter des gedruckten Papiers geht dem Ende zu. Social Media ist die Kommunikation der Zukunft.“

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