© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Nur das absolut Nötigste
Kinderpornographie: Nach der Einstellung des Verfahrens gegen ihn will Sebastian Edathy nichts von einem Schuldeingeständnis wissen
Hinrich Rohbohm

Regungslos sitzt Sebastian Edathy neben seinem Verteidiger Christian Noll, während dieser für seinen Mandanten vor dem Verdener Landgericht ein Geständnis des einstigen SPD-Bundestagsabgeordneten verliest. „Die Vorwürfe treffen zu.“ Er habe kinderpornographische Dateien besessen. „Ich habe eingesehen, daß ich einen Fehler begangen habe. Ich bereue, was ich getan habe“, trägt der Anwalt vor. Von Edathy selbst kommt keine Äußerung, außer der Erklärung, daß er sich die Worte Nolls zu eigen mache.

Bisher hatte der 45jährige jegliches Fehlverhalten von sich gewiesen und erklärt, er sei nicht pädophil. Nach dem Prozeßauftakt und der Ankündigung von Oberstaatsanwalt Thomas Klinge, einer Verfahrenseinstellung nur bei einem Geständnis des Angeklagten zuzustimmen, ist die Verteidigung der Anklagevertretung am Montag erwartungsgemäß entgegengekommen. „Uns kam es darauf an, Klarheit in diesen Fall zu bekommen“, betont Klinge, daß es keinesfalls die Absicht der Staatsanwaltschaft gewesen sei, gegen Edathy „nachzutreten“. Nach nur fünfminütiger Beratung verkündet der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert das Urteil: Das Verfahren wird gegen die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5.000 Euro an den Kinderschutzbund, der das Geld indes umgehend ablehnte, eingestellt.

Ein Ergebnis, auf das sich die Verfahrensbeteiligten eigentlich schon vor der Hauptverhandlung geeinigt hatten. Doch die Staatsanwaltschaft Hannover spielte nicht mit. Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an dem Fall hatte sie einer vorzeitigen Einstellung des Verfahrens zunächst widersprochen. Jenes öffentliche Interesse am Verfahren sei es auch gewesen, das als Sanktion auf den Angeklagten eingewirkt habe, begründet Richter Seifert die Entscheidung des Gerichts. Die Tat sei jedoch „kein Kavaliersdelikt“. Ein Bundestagsabgeordneter müsse damit rechnen, daß die Öffentlichkeit eine solche Tat nicht ignoriere. Aber: „Jeder Ersttäter hat eine faire Chance verdient, wenn ein bestimmter Rahmen nicht überschritten worden ist.“ Weil die Taten Edathys in einem kurzen Zeitraum erfolgten und die Menge des besessenen Materials gering war, seien sie im unteren Bereich anzusiedeln.

Plötzlich erklingt eine protestierende Frauenstimme von den Zuschauerrängen. „Mir liegen Tatsachen vor, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen können“, ruft die Brille tragende ältere grauhaarige Dame in den Gerichtssaal. Richter Seifert ruft die Frau zur Ordnung, droht, sie müsse den Raum verlassen, wenn sie die Verhandlung weiter störe. Sie sei erstens keine Verfahrensbeteiligte, zweitens sei ihr Anliegen unbegründet. Die Zuschauerin läßt sich davon nicht beeindrucken, redet unverdrossen weiter. „Ich habe hier 1.500 Euro in bar mit.“ Die Summe würde sie zur Belohnung zur Verfügung stellen, sollte jemand Edathys Laptop wiederfinden. Richter Seifert zeigt sich geduldig, läßt sich auf mehrere Wortwechsel mit der Frau ein, ehe Vollzugsbeamte sie vor die Tür setzen.

Es sollte nicht das einzige Kuriosum der Verhandlung bleiben. Denn unmittelbar nach Prozeßende ist von der gerade erst erklärten Reue Edathys nichts mehr zu spüren. Sein Mandant habe mit keinem Wort in seiner Erklärung zugegeben, Kinderpornos besessen zu haben, erklärt Noll. Lediglich die Dateien habe er in seinem Besitz gehabt und angesehen. Aber: Was die Dateien beinhalteten, darüber habe Edathy nichts gesagt. Und auf seiner Facebook-Seite behauptet Edathy: „Ich weise darauf hin, daß ein ‘Geständnis’ ausweislich meiner heutigen Erklärung nicht vorliegt. Die Staatsanwaltschaft war mit dem Wortlaut der Erklärung einverstanden. Eine Schuldfeststellung ist damit ausdrücklich nicht getroffen worden.“

Übrigens: Als der Richter fragt, ob der Sozialdemokrat, den seine Partei am Montag zum Austritt aufforderte, auf seine beschlagnahmten Materialien verzichten wolle, verneint er. Sämtliche nicht strafrelevanten Gegenstände fordere er zurück. Ob er auch die nicht strafrelevanten Zeitschriften wie „Adam Junior“ oder „Junge Buben“ zurückhaben möchte?“, will darauf Oberstaatsanwalt Thomas Klinge zur Verärgerung des Verteidigers von ihm wissen. Edathy ringt sich ein „Nein“ ab. Es ist das erste und einzige Mal, daß er während des Prozesses ein wenig verlegen wirkt.

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