© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

„Der März wird unser Monat“
Dresden: Angesichts der Flüchtlingsproblematik sieht sich die Pegida-Bewegung wieder im Aufwind
Paul Leonhard / Felix Krautkrämer

Lutz Bachmann ist optimistisch. „Ich bin mir sicher, der März wird unser Monat“, ruft der Dresdner Pegida-Vorsitzende den vor der – diesmal im Inneren erleuchteten – Frauenkirche Versammelten zu. Am Montag abend waren rund 6.200, viele mit wehenden Deutschlandfahnen, auf den Dresdner Neumarkt gekommen, um gegen das politische Establishment und die unkontrollierte Einwanderung von Ausländern zu protestieren. Zu Beginn der Kundgebung nannte Bachmann diejenigen deutschen Städte, in denen zeitlich parallel zu Dresden ebenfalls gegen die Islamisierung des Abendlandes demonstriert werde, und stellte die einzelnen Forderungen der „Dresdner Charta – Charta für den interreligiösen Frieden in Deutschland“ vor.

Mit ihrer Unterschrift unter diese sollen muslimische Verbände, Moscheen und Einrichtungen unter anderem erklären, daß sie die aufgeklärte christlich-jüdische Prägung der Kultur in Europa respektieren, das bestehende System und das Grundgesetz der Bundesrepublik akzeptieren, sich parteipolitisch neutral verhalten, auf Zwangsverheiratungen, Schariagerichte, Zwangsbeschneidungen und Ehrenmorde verzichten sowie Parallelgesellschaften in muslimisch geprägten Stadtteilen mit bekämpfen.

Fast parallel dazu machte die Dresdner Stadtverwaltung deutlich, daß es aus ihrer Sicht sehr wohl Sonderrechte für Asylbewerber und linke Aktivisten gibt. Denn diesen wurde von einem Stadtsprecher fürs erste bescheinigt, daß sie die Aufstellung eines halben Dutzend großer Zelte sowie Trockentoiletten auf dem Theaterplatz durchaus als Bestandteil einer „spontanen Demonstration“ werte. Die Bevölkerung selbst regierte zum teil empört, wie sich in den Diskussionsforen im Internet nachlesen ließ, mied aber den zwischen Semperoper, Zwinger und Residenzschloß gelegenen Platz. Nur wenige Dresdner wagten es, den aggressiv reagierenden jugendlichen Besetzern ihre Meinung zu sagen. Pressefotografen wurden von ihnen an ihrer Arbeit gehindert und teilweise gezwungen, die geschossenen Fotos vorzuzeigen.

Viele Kommentatoren warnten davor, daß der Versuch, die Stadt zu erpressen, nur dazu führe, daß die Stimmung noch aggressiver werde, oder diese Provokation „bislang tolerante Dresdner gegen Flüchtlinge aufbringen“ und so die Ausländerfeindlichkeit steigern werde.

Die Pegida-Bewegung dürfte durch die zeitweilige Besetzung des Theaterplatzes weiteren Zulauf erhalten. Es sei eigentlich schade, daß dieses Protestcamp demnächst geräumt werde, sagte Bachmann in seiner Ansprache. Da war er noch davon ausgegangen, daß der von der Polizei für 20 Uhr angekündigte gewaltsame Abbau der Zelte stattfinden würde. Die Aktivisten führten dagegen an, daß die Zelte nicht nur Schutz vor der Kälte, sondern auch vor möglichen Angriffen durch „Neonazis“ bieten würden. Sie kündigten an, bis Ende März auf dem Platz ausharren zu wollen, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Zu diesen zählten gleiche Rechte wie deutsche Staatsbürger, Abschaffung der Residenzpflicht, Unterbringung in Wohnungen, sofortige Arbeitserlaubnis, keine Abschiebung in Länder mit inhumanen Lebensbedingungen, Deutschkurse für alle.

Polizei kann Übergriffe nicht bestätigen

Der Besetzung des Theaterplatzes war am Sonnabend eine von zwei Flüchtlingsorganisationen organisierte Demonstration mit etwa 3.500 Teilnehmern vorausgegangen, deren Start und Ziel der Theaterplatz gewesen war. Angeblich hätten die Zelte zunächst nur dazu gedient, die Teilnehmer mit Essen zu versorgen. Solidarisch mit dem Anliegen der Demonstranten zeigten sich vor Ort sowohl die beiden SPD-Ministerinnen Eva-Maria Stange (Wissenschaft und Kunst) und Petra Köpping (Integration) sowie Linken-Parteichefin Katja Kipping. Köpping forderte eine bessere Betreuung, eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge sowie Gespräche mit den Flüchtlingen. Scharfe Kritik kam unter anderem vom Fraktionschef der FDP im Dresdner Stadtrat, Holger Zastrow. „Die Demonstranten verstoßen nicht nur gegen Recht, sondern sie gießen in einer ohnehin angespannten Situation noch Öl ins Feuer“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Die CDU-Fraktion verurteilte das Camp als „unwürdige Provokation“. „Uns muß klar sein, daß die Geduld der Dresdner mit solchen Aktionen arg auf die Probe gestellt wird – Toleranz darf nicht ausgenutzt werden und kann Rechtsbruch nicht entschuldigen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Jan Donhauser.

Mehrere Medien berichteten unterdessen, Pegida-Anhänger hätten während der Demonstration am Montag versucht, das Lager zu stürmen und seien nur durch das Eingreifen der Polizei daran gehindert worden. Dies wurde von der Polizei nicht bestätigt. Die Polizei teilte lediglich mit, es sei „wechselseitig zu verbalen Provokationen“ gekommen. „Tätliche Auseinandersetzungen wurden durch Polizeikräfte, darunter die Polizeireiterstaffel, unterbunden.“

Am Dienstag vormittag räumte die Polizei das Lager schließlich. „Recht und Ordnung ist Genüge getan worden“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer der JUNGEN FREIHEIT. Ähnlich reagierte die AfD. „Es war eine versuchte Provokation, die Zeltstadt direkt vor der Semper-oper eine illegale Sondernutzung. Es ist gut und richtig, daß die Polizei die Räumung so schnell durchgesetzt hat“, sagte der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Stefan Dreher, der JF.

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