© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Geheimdienst an der Macht
Putin und sein FSB regieren heute Rußland
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Menschen, die Putin für einen „lupenreinen Demokraten“ halten und auf eine demokratische Zivilgesellschaft unter ihm hoffen, werden vom Buch bitter enttäuscht sein. Für Leser, die näheres Interesse an Rußland und speziell seinem Geheimdienst haben, ist es ein Leckerbissen. Der Politikwissenschaftler und Spezialist für die postkommunistischen Transformationsprozesse Ulf Walther hat darin die Ergebnisse seiner langjährigen Forschungsarbeiten zusammengefaßt. Im Mittelpunkt seines Werkes steht dabei die Frage nach dem Machtpotential des Geheimdienstes während der Putin-Ära.

Gorbatschow hatte seine Karriere zum Großteil dem KGB zu verdanken, der den wirtschaftlichen Zerfall der UdSSR genau kannte. Zu starken Differenzen kam es indes, als er den Geheimdienst an das bestehende Recht binden wollte. Die UdSSR-Verfassung von 1977 unterstellte diesen nicht mehr dem Ministerrat, sondern der Parteiführung; der KGB wurde damit zur zweitwichtigsten Macht nach der KPdSU, noch vor den Streitkräften. Wohl erfolgte unter Jelzin eine Entflechtung der alten Strukturen des Geheimdienstapparates, aber nicht die Abschaffung des Geheimdienstwesens an sich. Unter dem neuen Namen FSB brachte er den Dienst unter seine direkte Kontrolle; zum Schutz seiner eigenen Macht kommt es geradezu zu einer Wiedergeburt eines starken Geheimdienstes. Im Juli 1998 wird ein Oberst Putin zu dessen Leiter ernannt und damit in den Rang eines Ministers.

Ein Jahr später wird dieser Direktor zum Präsidenten Rußlands gewählt. Zugleich gehören 60 Prozent aller leitenden Beamten in den Machtzentren des Landes mehr oder minder dem Geheimdienst an. Die Kontrolle des FSB liegt fortan allein beim Präsidenten, der selbst dem Geheimdienst angehört und vom Parlament praktisch unabhängig ist. Spätestens jetzt, resümiert Walther, ist der FSB einflußreicher als der KGB zu Zeiten der Sowjetunion. Damals wurde dieser von der Kommunistischen Partei kontrolliert: „Heutzutage ist der FSB selber die Macht. Der Geheimdienst ist selbst wie eine Partei und der FSB selbst kontrolliert viele Positionen in Politik und Wirtschaft des heutigen Rußlands“. Ein politisches Tauwetter sei nicht in Sicht ...

Ulf Walther: Rußlands neuer Adel. Die Macht des Geheimdienstes von Gorbatschow bis Putin. Ibidem Verlag, Stuttgart 2014, broschiert, 420 Seiten, 34,90 Euro

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