© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Auch in England gibt es eine Glaubwürdigkeitsdebatte
Der Kolumnist Peter Osborne wirft dem „Telegraph“ Anzeigenkundenhörigkeit vor, doch die konservative Zeitung feuert zurück
Ronald Gläser

Glauben wir dem Zeitgeist, dann sind sie der Schrecken der freien Presse schlechthin: Anzeigenkunden, die über den Inhalt der Berichterstattung mitbestimmen (wollen). Dabei gerät aus dem Blickfeld, daß jedes Medium durch viele Interessengrupen beeinflußt wird: Inhaber, Mitarbeiter, Leser und nicht zuletzt der Staat – sie alle haben Interessen, die es zu berücksichtigen gilt.

Doch nur bei kommerziellen Anzeigenkunden schrillen die Alarmglocken, wenn diese versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Diese Schlagseite in der Debatte über die Glaubwürdigkeit von Zeitungen verdeutlicht, welche antikapitalistische Gesinnung dahintersteckt.

Die Kritik ist so laut, daß einige Dax-Konzerne nun in vorauseilendem Gehorsam vor der Berliner Regulierungswut soeben neue Selbstverpflichtungsregeln erarbeitet haben, um unsaubere Einflußnahme zu stoppen.

Auch in England tobt eine Debatte um die Anzeigenkundenhörigkeit von Medien. Und auch dort geht es wie im Fall Sebastian Heiser um die Pseudo-Enthüllungsstory „Swiss Leaks“, die angebliche Verfehlungen von Banken zum Gegenstand hat.

Wegen der unkritischen Berichterstatung des Daily Telegraph über die Hongkong Shanghai Banking Corporation (HSBC) hat Peter Osborne jetzt seinen Job als Kolumnist bei der Zeitung an den Nagel gehängt. Er war seit 2010 Kommentator bei der englischen Tageszeitung, deren Auflage sich auf rund eine halbe Million beläuft. Osborne berichtet, sein Auftraggeber habe jahrelang die HSBC geschont, weil sie ein wichtiger Anzeigenkunde sei. In der Verlagsbeilage China Watch habe gar der chinesische Botschafter einen Gastbeitrag verfassen dürfen. Vorwurf: Um die HSBC-Geschäfte nicht zu gefährden, sei der Telegraph freundlich zur Diktatur in Peking. Schließlich habe die Onlineredaktion Geschichten über Frauen mit drei Brüsten und dergleichen gefahren, um die Klickzahlen in die Höhe zu treiben.

Osbornes Kritik wurde von linken britischen Medien dankbar aufgenommen und weiterverbreitet. Anders als die Süddeutsche Zeitung in Deutschland, die die Heiser-Enthüllungen nur untermotorisiert zurückgewiesen hat, feuerte der Telegraph aus allen Rohren zurück und verteidigte seine Berichterstattung: „Wir brauchen keine Vorlesungen vom BBC, vom Guardian oder der Times oder von ihren Seelenverwandten in der Labourpartei.“ Die Zeitung verbinde auch weiterhin journalistische Exzellenz mit Profit, heißt es in einer kämpferischen Erklärung des Verlags mit dem Titel „Wir halten unser Versprechen an die Leser“. Zudem listete der Telegraph diverse Fälle von Einflußnahme auf den Guardian unter anderem durch Konzerne wie Apple und Anti-CO2-Aktivisten auf. „Keiner von denen ist der Inbegriff der moralischen oder journalistischen Tugend“, so der Telegraph über die linke Konkurrenz im Blätterwald.

www.telegraph.co.uk

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