© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Grüße aus Tokio
Saufen für Fukushima
Albrecht Rothacher

Es gehört zu meinen Dienstpflichten, die europäische Verbundenheit zu der unglücklichen nordjapanischen Präfektur Fukushima darzustellen. Ich werde dafür gut bezahlt, und wenn du auf die 60 zugehst, ist so ein bißchen Radioaktivität eigentlich egal. Vor drei Jahren hieß es, vor laufender Kamera einheimische Produkte zu verköstigen. Das habe ich vor Ort gerne gemacht. Frei nach dem Koppelschloß meiner Großväter: furchtlos und treu. Nicht daß ihre Exporte irgendwie wichtig wären, aber der Zweck war, dem einheimischen Publikum zu demonstrieren: Wenn die Ausländer das schon essen und trinken, dann ist es wirklich wieder sicher.

Die Sakebrauer gewinnen jede Menge Goldmedaillen, aber niemand kauft ihr Getränk.

Das ist genau das Problem Fukushimas. In Japan wird auf den Etiketten immer ausgezeichnet, aus welcher Präfektur die Lebensmittel kommen – und Fukushima ist weiter einfach unverkäuflich. Dabei hatte das Hochland von Aizu Wakamatsu im Westen eigentlich überhaupt keine Strahlungen abbekommen, im Gegensatz etwa zu den Nachbarpräfekturen Ibaraki und Tochigi.

Die Sakebrauer der Provinz haben auch heute ein großes Problem. Sie gewinnen jede Menge Goldmedaillen für ihre edlen Getränke, aber niemand kauft sie.

Natürlich sei alles sicher, wird uns nun bei der Pressekonferenz versichert. Noch sicherer als vor drei Jahren, als alles auch schon so sicher war. Jeder Sack Reis für das Sakebrauen sei auf weniger als zehn Becquerel getestet. Der härteste Standard der Welt, wird uns erzählt. Auch das für das Brauereiwesen zuständige Finanzministerium führe zusätzlich seine eigenen Tests durch. Das garantiere zusätzlich Qualität und Sicherheit.

Dann fängt, vom örtlichen Parlamentsabgeordneten und einer Schönheitskönigin eingeleitet, das große Trinken an. Das Problem für einen Ausländer ist bei all jenen Sake-Verköstigungen, daß wir die Etiketten nicht lesen können. Eine Faustregel: Je stärker der Reis geschält wurde, das heißt, je teurer er ist, desto lieblicher ist der Geschmack. Aber wenn man zehn Flaschen durchprobiert hat, verwirren sich die Geschmacksnerven. Egal – ich liefere also vor laufender Kamera meine Komplimente für die Erzeugnisse ab, denen ich höchsten Genuß bescheinige.

Am nächsten Morgen freue ich mich, daß der Sake keinen Kater verursacht. Denn im Gegensatz zu dem, was einem in den von Chinesen betriebenen Sushi-Restaurants in Deutschland vorgesetzt wird, muß der Fukushima-Sake wirklich gut gewesen sein.

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