© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Weißwaschgang für Stasi-Spitzel
SED-Unrecht: Die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen plant, das Gesetz zur Überprüfung von Abgeordneten auf Verstrickungen in das DDR-Regime zu ändern
Paul Leonhard

Zwei Schild- und Schwertträger der einstigen Einheitspartei sitzen noch im Thüringer Landtag. Quasi als lebender Beweis, wofür die Linkspartei als Erbin der SED auch noch steht: für die Unterdrückung und Bespitzelung von Millionen Menschen. Zwar hat sich Bodo Ramelow, um Ministerpräsident des Freistaates werden zu können, durchgerungen, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen, wie es aber wirklich um die Vergangenheitsbewältigung im rot-rot-grün regierten Land steht, zeigt eine Initiative der drei Landtagsabgeordneten Sabine Berninger (Linkspartei), Dorothea Marx (SPD) und Astrid Rothe-Beinlich (Grüne), allesamt justizpolitische Sprecherinnen ihrer Fraktionen.

Sie fordern, die Überprüfung der Abgeordneten auf eine frühere Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit zu ändern. Bisher sah das entsprechende Landesgesetz vor, daß alle vor dem 1. Januar 1970 geborenen Parlamentarier auf eine eventuelle Zusammenarbeit mit der Stasi zu überprüfen seien. Nach sorgfältiger Einzelfallprüfung konnte der Landtag dann die „Parlamentsunwürdigkeit“ der Betreffenden feststellen. Das hatte zwar keinerlei praktische Auswirkungen, eine Mandatsniederlegung mußte nicht erfolgen, wurmte aber die ehemaligen Spitzel schon, die ihr demokratisches Kleid befleckt sahen.

Erfolg vor dem Verfassungsgericht

„Es ist nicht richtig, daß ich in der vergangenen Wahlperiode ‘unwürdig’ war, dem Thüringer Landtag anzugehören“, schreibt beispielsweise Ina Leukefeld auf ihrer Internetseite. Die Linken-Politikerin hatte als Inoffizielle Kriminalpolizeiliche Mitarbeiterin (IKM) des politischen Teils der Kriminalpolizei, der sogenannten K1, Ausreisewillige DDR-Bürger bespitzelt. Im Jahr Das Überprüfungsgremium stellte 2006 nach Akteneinsicht fest, Leukefeld sei unwüdig, dem Thüringer Landtag anzugehören. Gegen diese Entscheidung klagte die Politikerin, und das Thüringer Verfassungsgericht gab ihr formal recht: Im Gesetz waren nur das Ministerium für Staatssicherheit und seine kurzlebige Nachfolgeorganisation, Amt für Nationale Sicherheit (AfNS), nicht aber die politische Polizei K1 aufgeführt.

Ein Lapsus, der auf Antrag der CDU schnell durch eine Gesetzesänderung ausgebügelt werden konnte. Allerdings hatte sich die Besetzung des Überprüfungsgremiums zu diesem Zeitpunkt schon so verändert, daß es – bei gleicher Aktenlage – nun keine Mehrheit mehr gab, die Leukefeld für „unwürdig“ erklärte.

Im zweiten Fall handelt es sich um den Abgeordneten Frank Kuschel (Linkspartei), der in der DDR Karriere als Berufsoffizier, Mitglied des Rates der Stadt Ilmenau für Inneres und Bürgermeister von Großbreitenbach machte. 1988 wurde der Genosse als Informeller Mitarbeiter von der Stasi angeworben und lieferte laut Aktenlage Berichte, durch die der von der SED geführte Geheimdienst „wesentliche Erkenntnisse“ gewinnen konnte. Kuschel wurde bescheinigt, bereit zu sein, „Personen vorbehaltlos zu belasten“. Seit 2004 gehört der frühere Spitzel dem Landtag an, wo er erneut auf dem Feld Inneres aktiv ist.

„Begriffliche Verschleierungstaktik“

Daß ausgerechnet zwei ihrer Abgeordneten (zumindest zeitweise) als „parlamentsunwürdig“ bezeichnet werden konnten, wurmt die jetzt erneut in Thüringen führende Partei offenbar so sehr, daß sie diese Schmach mit Hilfe ihrer sozialdemokratischen und (bündnis-)grünen Hilfswilligen getilgt haben möchte. Diese Bezeichnung habe sich „mitnichten als probates Mittel der Aufarbeitung erwiesen“, schreibt beispielsweise die Grüne Rothe-Beinlich und Dorothea Marx von der SPD fordert ein „zeit- und verfassungsgemäßes Gesetz“.

Widerstand gegen die Reinwaschung der ehemaligen Spitzel kommt von der CDU. Daß beim ersten erinnerungspolitisch bedeutsamen Gesetzesvorhaben die Juniorpartner der Linken „einer begrifflichen Verschleierungstaktik das Wort“ reden und die Befürchtungen der Opfer und Verfolgten so schnell Nahrung finden, hätte er nicht vermutet, kritisierte der Beauftragte der CDU-Fraktion für die Opfer von Stalinismus und SED-Diktatur, Herbert Wirkner: „Wer von Parlamentsunwürdigkeit nicht mehr reden will, der nennt die Dinge nicht mehr beim Namen.“ Es sei wichtig, eine Änderung des Abgeordnetenüberprüfungsgesetzes zuvor mit Experten und Bürgern zu diskutieren. „In erster Linie muß dieses Gesetz mit den Opfern und Verfolgten des SED-Regimes besprochen werden.“

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