© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Kein „guter Tag für Deutschland“, von „Europa“ ganz zu schweigen – der Auftritt des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber am Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus läßt die seit Jahren übliche, geradezu liturgische Eingangsformel bei der Erklärung vor den Pressevertretern vermissen. Das historisch schlechteste Wahlergebnis der CDU in Hamburg mit 16 Prozent, nur in Bremen war es vor Jahrzehnten noch geringer, zeitigt zugleich Amnesie. Auf meine Nachfrage erklärt der junge CDU-General ernstlich, sich an diese Standard-Begrüßungsformel nicht zu erinnern, hatte er doch zuvor – vorgeblich mißverständlich – zurückgefragt: „Glauben Sie denn, daß das Wohl der Partei gleichbedeutend mit dem Wohl Deutschlands sei?“ Die Werbekarte am Ausgang der Bundesgeschäftsstelle mit dem künstlerisch überhöhten Rautezeichen von Merkels Händen bestätigt diese Frage ebenso objektiv wie wortlos. Hier fehlt nur der Vers: „Und herrscht auch einmal Flaute / Angela segnet – via Raute.“

Der Spitzenkandidat eines Berliner CDU-Bezirks verabschiedet sich am Ausgang gegenüber Bekannten mit der – unfreiwillig doppeldeutigen – Bemerkung: „Na, 16 Prozent schaffen wir.“ Drei opportunistische, frühvergreist wirkende Nachwuchspolitiker der CDU fabulieren derweil noch am Tisch von ihren unglaublich kühnen Plänen, die schließlich in der Vorstellung von einem „Veteranentreffen“ gipfeln! „Da können wir von unseren früheren Kriegsschlachten erzählen“, frohlockt einer; darauf der andere, der gerade hier seine Zelte aufgeschlagen hat, triumphierend: „Ich war immer auf der Siegerseite.“ Wenn es im Mai in Bremen reichen werde, gehe es wieder zurück. Endgültig verwaist ist jetzt auch die CDU-Bühne, leer gähnt das blaue Halbrund mit dem Schriftzug „Die Mitte“ – anzeigend, daß sich diese Partei den Staat zur Beute gemacht hat und damit eigentlicher „Platzhalter“ ist.

In Wirklichkeit ist es „ein trauriger Tag für unsere demokratische Gesellschaft“, so die Worte im ZDF-„Heute-Journal“ über den in Braunschweig wegen islamischer Terrorgefahr abgesagten Karnevalsumzug. Überhaupt: Mit dem Zweiten zensiert „man“ augenscheinlich besser. So warb Arte für seinen Film „Durch die Nacht mit ... Haftbefehl und Oliver Polak“ mit dem provokanten Polak-Kalauer, der „Muschi“ mit „Moschee“ verglich. Unmittelbar vor Ausstrahlung schnitt das ZDF als federführende Anstalt die Sequenz heraus ... denn „darum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abjeblendet“.

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