© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Grüße aus Madrid
Der Wolf ist los!
Michael Ludwig

In Spanien sind die Wölfe los. Fassungslos steht der Viehhirte Javier Colmenarejo aus San Mames, einer kleinen Gemeinde in der Provinz Madrid, vor den zerfleischten Kadavern seiner Ziegen. „Noch vor ein paar Tagen hatte ich 250 Tiere, jetzt sind es 80 weniger. Schuld daran sind diese verdammten Wölfe. Sie haben sie nicht einmal aufgefressen, sondern in einem wahren Blutrausch getötet und dann liegengelassen“, sagt der stämmige Mann mit dem dichten Strubbelbart und dem wettergegerbten Gesicht.

Wie es nun weitergehe? Colmenarejo winkt resigniert ab. Jetzt werde er vermutlich seine kleine Käserei schließen müssen. Die überlebenden Tiere stünden derart unter Streß, daß sie kaum noch Milch geben würden. Eine Versicherung habe er leider auch nicht, die ihm den Verlust, den er mit allen anfallenden Kosten und Folgekosten auf rund 70.000 Euro schätzt, ersetzen würde. Und die staatlichen Hilfsmaßnahmen könne man ohnehin vergessen, so gering seien sie.

Miquel möchte seinen Lebensunterhalt nicht mit Entschädigungen bestreiten.

Auch sein Kollege Miquel aus dem nordwestlichen Asturien, dem ein Wolfsrudel kürzlich drei Schafe gerissen hat, greift höchst ungern auf staatliche Ausgleichszahlungen zurück: „Ich möchte meinen Lebensunterhalt nicht mit Entschädigungen bestreiten, sondern Tiere aufziehen und Käse machen. Es züchtet ja auch niemand Hunde, um sie später auf der Autobahn auszusetzen und plattfahren zu lassen.“

Seit die spanische Regierung in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein strenges Schutzprogramm für die Wiedereinbürgerung des Wolfes aufgelegt hat, hat sich deren Bestand rasant vermehrt. Heute wird er auf rund 3.000 Tiere geschätzt – sie leben vor allem in den weitgehend unberührten und kaum von Menschen besiedelten Landschaften Zentral- und Nordwestspaniens, inzwischen aber auch in Katalonien. Dort rissen, nur vierzig Kilometer von Barcelona entfernt, Wölfe mehrere Schafe. Genetische Untersuchungen ergaben, daß sie aus den italienischen Abruzzen stammen und über Südfrankreich nach Spanien einwanderten.

Mit der Zahl der Raubtiere sind auch die Übergriffe gestiegen. In der Provinz Castilla y León gab es allein zwischen 2007 und 2010 über 2.800 Rudelangriffe mit über 8.200 toten Schafen und Ziegen. In den vergangenen vier Jahren hat sich diese Zahl abermals drastisch erhöht. Nach Ansicht des lokalen Internetanbieters leonoticias.com ist die Situation „dramatisch“.

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