© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Sozialleistungen ziehen Kosovaren an
Asylbewerber: Die sprunghaft gestiegene Zahl von Antragstellern aus dem Kosovo verschärft die Lage für Länder und Kommunen
Christian Schreiber

Das Regenbogenland Olpe zeigt sich auf seiner Internetseite von der besten Seite. „Urlaub im Sauerland ist ein ganzjähriges Erlebnis“, verspricht die Ferieneinrichtung. Den Besuchern stehen 78 Zimmer mit insgesamt 183 Betten zur Verfügung. Doch zum Jahresende mußte die Freizeit-

einrichtung des Kolpingwerks ihre Pforten schließen. „Zu unwirtschaftlich, zu unmodern, zuwenig effizient“, hieß es in einer Mitteilung. In der vergangenen Woche hat die Politik den Betreibern diese Sorge abgenommen. Die Anlage, so Olpes Oberbürgermeister Horst Müller, sei vom Land mit Hilfe einer Ordnungsverfügung sofort beschlagnahmt worden.

Bereits am vergangenen Samstag zogen dort erste Asylbewerber aus dem Kosovo ein. „Wir sind von der Bezirksregierung darüber informiert worden, daß es unvorhersehbare Flüchtlingsströme nach Nordrhein-Westfalen gebe.“ Die Zahlen seien plötzlich explodiert, Unterkünfte in Dortmund und Bielefeld platzten aus allen Nähten. „Das Land war offenbar gezwungen, spontan zu handeln und hat dann nach dem Ordnungsbehörden-gesetz reagiert, um die Obdachlosigkeit zu verhindern“, sagte Müller.

Die Verantwortlichen in Deutschland und anderen EU-Ländern haben ein weiteres Problem. Urplötzlich hat aus dem Kosovo eine Massenflucht eingesetzt. Alleine seit Jahresbeginn sollen 50.000 der 1,8 Millionen Einwohner das Weite gesucht haben. In den vergangenen sechs Monaten waren es gut 100.000. Die ehemalige serbische Teilrepublik gilt seit Jahren als destabilisiert (siehe Seite 7), das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 200 Euro, die Arbeitslosenquote beträgt 40 Prozent. Perspektiven gibt es vor allem für junge Menschen keine. Die Gründe für die Massenausreise nach Deutschland werden vom Bundesinnenministerium klar benannt: „Hauptpullfaktor“ sei das hohe Niveau an Sozialleistungen für Asylbewerber in der Bundesrepublik.

Der Kosovo ist die einzige ehemalige Balkanrepublik, für die im Schengen-Raum noch Visapflicht herrscht, er gilt dennoch als sogenanntes sicheres Herkunftsland. Dies bedeutet, daß die Asylanträge in aller Regel abgelehnt werden, die Anerkennungsquote in der Bundesrepublik tendiert gegen Null. Nach Angabe des Bundesinnenministeriums lag die sogenannte „Gesamtschutzquote“ für kosovarische Staatsangehörige 2014 lediglich bei 1,1 Prozent. Im Januar 2015 betrug sie 0,3 Prozent.

Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums warteten dennoch momentan 5.000 Kosovaren an der serbisch-ungarischen Grenze auf ihren Grenzübertritt, mehr als 8.000 befänden sich auf dem Weg nach Deutschland. „Das dürfen wir nicht hinnehmen“, äußerte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Zeit.

Verfahren soll in zwei Wochen abgewickelt werden

Neben der Bundesrepublik ist auch Österreich von den Flüchtlingsströmen betroffen, auch dort stoßen die Aufnahmelager an ihre Kapazitätsgrenzen. Das Kosovo bat derweil die europäischen Staaten um Hilfe, die Massenauswanderung seiner Bürger aufzuhalten. EU-Staaten sollten illegale Migranten aus dem Kosovo so bald wie möglich zurückschicken, sagte der kosovarische Innenminister Skender Hyseni. Die Bundesregierung plant ein beschleunigtes Abwicklungsverfahren. So soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylverfahren kosovarischer Staatsangehöriger vorangig bearbeiten und schnellstmöglich entscheiden. Ab Mitte Februar soll dies innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung geschehen.

Dennoch müssen die Flüchtlinge laut Gesetz erst einmal untergebracht werden. Doch die Asylbewerber aus dem Kosovo sollen laut Bundesinnenministerium möglichst während des gesamten Verfahrens bis zur Rückführung in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer verbleiben und nicht auf die Kommunen verteilt werden, um die Verfahren zu beschleunigen und bevorzugt Sachleistungen gewähren zu können.

Aber die Kosovaren sind nur ein Teil des Problems. Im vergangenen Jahr kamen so viele Asylbewerber wie seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr. Insgesamt wurden 202.834 Anträge gestellt, rund 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anerkennungsquote ist generell sehr gering, dennoch ist es bis zur Abschiebung ein weiter Weg. Und immer mehr Flüchtlinge suchen Unterschlupf bei der katholischen Kirche. Im Januar nahmen die Gotteshäuser rund 400 Personen auf, um sie vor einer Abschiebung zu schützen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach daraufhin „von einer Paralleljustiz, die wir nicht dulden können“, und das Kirchenasyl in die Nähe der islamischen Scharia gerückt. Im Deutschlandfunk hatte de Maizière seine Kritik verdeutlicht und einen Vergleich gezogen, der für helle Aufregung sorgte: „Die Scharia ist auch eine Art Gesetz für Muslime, sie kann aber in keinem Fall über deutschen Gesetzen stehen.“ Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), verteidigte dagegen das Kirchenasyl als „Recht auf Gewissen“ und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sprach von einem Affront gegen alle Menschen, die sich in Kirchengemeinden für Flüchtlinge einsetzen. Vertreter der katholischen Kirchen erklärten, es sei ihre Pflicht, Menschen in Not zu helfen, zudem werde die soziale Situation für Flüchtlinge in Deutschland immer dramatischer. Lobby-Organisationen wie Pro Asyl oder die Amadeu-Antonio-Stiftung wollen eine „Pogrom-Stimmung“ gegen Asylbewerber ausgemacht haben. Im Jahr 2014 habe es mehr als 150 Übergriffe gegeben. Dies hänge vor allem mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen zusammen. „Je mehr Menschen kommen, desto mehr Unterkünfte gibt es, die man attackieren kann“, teilte Pro Asyl mit.

Foto: Kosovaren im bayerischen Rosenheim: Anerkennungsquote tendiert gegen Null

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