Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Fasten ist Fasten
... und Rebhuhn ist Rebhuhn: Sechs Wochen ohneVöllerei – ein guter Brauch liegt im Trend
Bernd Rademacher

Unvergeßlich sang Jupp Schmitz sein „Am Aschermittwoch ist alles vorbei ...“ Dann beginnt im Kirchenjahr die Fastenzeit: 40 bittere Tage lang. Bis Ostersonntag ist es zappenduster. Mit Ausnahme nur der Sonntage. Diese gelten nicht als Fastentage und fließen in die Zählung nicht mit ein.

Damit folgen wir dem Beispiel Jesu, der laut der Heiligen Schrift vierzig Tage und Nächte zum Fasten in die Wüste ging. Wir haben es besser und können zu Hause bleiben.

Dennoch: kein Alkohol, wenig Fleisch, kein Schnopkram. Dafür mehr beten und gute Werke tun. Auch die Kirche fastet: Es gibt keinen Blumenschmuck im Gotteshaus; Kruzifixe und Heiligenstatuen sind mit violettem Stoff verhüllt. In der Liturgie: kein Halleluja, kein Gloria. Bis nach der nächtlichen Ostermesse. Dann werden Speck und Eier in die Pfannen gehauen und die Pullen endlich wieder entkorkt.

Nur fünf Prozent geben religiöse Gründe an

So war es früher allgemeinverbindlich, und so praktizieren es heute noch bewußt christliche Familien. Für die Allgemeinheit kommt die Fastenzeit heute einer Wellness-Diät gleich. Natürlich individuell: „Was fasten Sie in diesem Jahr?“ fragen die Illustrierten. Aus der Apotheken-Umschau: „Fasten – das klingt für viele abschreckend. Aber Sie müssen ja nicht gleich völlig abstinent leben. Hier finden Sie Ideen für Verzicht ...“

Fasten liegt im Trend: Über die Hälfte der Deutschen will zumindest deutlich Verzicht üben, aber nur fünf Prozent geben dafür „religiöse Gründe“ an. Der eine verzichtet auf Schnaps, der andere auf Süßigkeiten, ein dritter auf den Nachmittagstee, den er so liebt. Ein weiterer läßt die Behaglichkeit der Sauna sein.

Ein bißchen Opfer, aber auch nicht zuviel. Wieder andere machen aus dem Verzicht einen sportlichen Wettbewerb und ziehen gegen den inneren Schweinehund ins Gefecht. Wer hält länger aus? Das ist ein privates Fitneß-Programm, aber kein Fasten.

Irgendwo im Rheinland fordert eine Pfarrei die Gemeindemitglieder auf, in der Fastenzeit das Auto stehen zu lassen. Sogar eine kreuzsäkulare Zeitschrift wie der Stern wirbt für das Fasten und verspricht „Impulse“. Restaurants und Kochzeitschriften bieten vegane „Rezepte für die Fastenzeit“. Jesus hätte sich das Urheberrecht für den Begriff sichern sollen.

Fasten ist der Verzicht auf Nahrung. Punkt. Ausnahme ist eine sättigende Mahlzeit am Tag zum Erhalt der Körperfunktionen, abgesehen von notwendigen kleinen Stärkungen. Das Fasten bietet erst die Grundlage für das Opfer: den Verzicht auf Partys, Konsum und Medien. Die Befreiung von Oberflächlichkeiten öffnet den Weg zur inneren Selbstbesinnung.

Sonntags wird eine Pause eingelegt. „Fasten ist Fasten, Rebhuhn ist Rebhuhn“, soll die heilige Teresa von Avila gesagt haben – und der Tag der Auferstehung ist auf jeden Fall ein Tag, den man mit einem Rebhuhnbraten feiern soll. Die Weinflasche bleibt trotzdem zu.

Der Verzicht auf Kalorien tut dem Körper gut; die Abstinenz von Konsum, Smartphone und Fernsehen reinigt den Geist und klärt den Blick für Fremdbestimmungen. Wer glaubt, ohne Smartphone nicht mehr sein zu können, wird erleben, daß sich ohne ständige Reize nicht einfach Langeweile ausbreitet, sondern man näher zu sich und zur Not des Nächsten findet. Ein Gefühl von Freiheit und gleichzeitig festerer Bodenhaftung. Und ja: Auch ein Akt des Widerstandes gegen Dauerbeschallung mit Werbung und Infomüll. Fasten ist der wahre „Kampf dem Konsumterror“.

Die erwähnte Apotheken-Umschau zitiert einen Diplom-Psychologen, der interessierten Lesern empfiehlt: „Am besten klappt das Fasten in Gemeinschaft.“ Es ist seltsam: Einerseits ist ein kollektives Bedürfnis nach Spiritualität und Ritualen nicht zu übersehen, aber fasten in der Glaubensgemeinschaft, womöglich noch in der katholischen? Bloß nicht, dafür sind wir ja viiiel zu aufgeklärt ... Wir kommen doch auch so „alle, alle, alle in den Himmel“ ...