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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Sisyphos wälzt seinen Stein auch auf Sumatra
Orang-Utans und die Mühen der Ebene: Über den Artenschutz in Indonesiens Regenwäldern
Fritjof Warnke

Wer sich im Urwald von Sumatra für Orang-Utans einsetzen will, benötigt den unerschütterlichen Gleichmut des Sisyphos, und er sollte wie der homerische Sagenheld seinen Stein auch lieben. Der deutsche Biologe Peter Pratje scheint diesen Anforderungen zu genügen. Andernfalls hätte er es nicht nun bald 17 Jahre in Indonesien ausgehalten, wo er, nach eifrigem „Klinkenputzen“ bei den Behörden, 2001 im Auftrag der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e. V. (ZGF) endlich eine Auswilderungsstation für die damals auf einen kärglichen Restbestand von 7.000 Tieren geschrumpfte Population der Sumatra-Orang-Utans einrichtete.

Die Versorgung, das auf das Leben im Dschungel vorbereitende Training und die Auswilderung der zuvor oft illegal privat gehaltenen, dann konfiszierten Menschenaffen im Nationalpark Bukit Tigapuluh gehören mittlerweile zwar immer noch zum schönsten, aber nicht mehr zum schwersten Teil von Pratjes Mission. Denn seit langem verlange der Kampf an der „Frontlinie des Regenwaldes“, wie es ZGF-Geschäftsführer Christof Schenck martialisch formuliert, den härteren Einsatz. Um diese Herausforderungen bestehen zu können, ist aus dem promovierten Zoologen Pratje im Nebenberuf ein Landschaftsplaner und Dorfentwickler geworden.

Gier nach Palmöl zerstört den Lebensraum

Artenschutz ist auf Sumatra nicht möglich ohne Waldschutz und die Einbindung der Einheimischen. Rund um den Nationalpark verschwindet der Regenwald jedoch in rasantem Tempo. Allein zwischen 2005 und 2014 reduzierte sich die Waldfläche des üppigen Ökosystems Bukit Tigapuluh um die Hälfte. Auslöser ist die kontinuierlich steigende Weltmarktgier nach Palmöl. In allen potentiellen Anbaugebieten Indonesiens und Malaysias weichen tropische Wälder Palmölplantagen und neuerdings, als Rohstofflieferant der Papierindustrie, auch Akazienpflanzungen. Seit 1990 verzehnfachte sich die indonesische Anbaufläche für Ölpalmen, und in jedem Jahr fallen 50.000 Hektar mehr Wald der Anlage dieser Monokulturen zum Opfer als im jeweiligen Jahr zuvor.

Um den Prozeß der Entwaldung wenigstens einzudämmen, bedürfte es effizienter Naturschutzbehörden und Forstdienste. Davon, so klagt Pratje, könne auf Sumatra leider keine Rede sein. Seine Antwort auf dieses Dilemma war der Aufbau einer privaten Rangertruppe, die, ausgestattet mit GPS und Digitalkamera, autonom Holzdiebstähle, illegal gerodete Flächen und Fälle von Wilderei „vorermittelt“, um ihre staatlichen Kollegen auf die Fährte der Täter zu führen.

Die von Pratje höflich nur touchierte amtliche Indolenz in Sachen Umweltschutz sowie das politisch vorrangige Interesse an ökonomischer Ausbeutung des Regenwaldes sind zwei Seiten einer Medaille. Das Umweltbewußtsein breiter Bevölkerungsschichten ist entsprechend schwach entwickelt. Um diesem aufzuhelfen, entfaltete Pratje wiederum Eigeninitiative. Finanziert vom Bundesumweltministerium, ist ein vierköpfiges „Bildungsteam“ in 33 Dörfern der Pufferzone um den Nationalpark mit Büchern, Puppenspiel und Filmvorführungen unterwegs, um ökologisch aufzuklären und „den Naturschutz langfristig in der indonesischen Gesellschaft zu verankern“.

Diese Basisarbeit dürfte indes vergeblich sein, gelingt es nicht, die Kompetenzen der Artenschützer im Vorfeld­areal von Bukit Tigapuluh auszubauen. Darum gründeten ZGF, World Wildlife Fund, ein australisches Orang-Projekt und eine indonesische Stiftung 2011 eine Arbeitsgruppe, die eine Naturschutzkonzession erstrebt. Sie würde in der Pufferzone die Wiederaufforstung genauso erlauben wie die Einbindung in die Landschaftsplanung und die Pionierfunktion der AG bei der Gestaltung ökologisch nachhaltiger dörflicher Strukturen. Das Schutzprogramm werde sich dann, so Pratjes Hoffnung, wandeln von der Projektarbeit in der Auswilderungsstation zur ganzheitlichen Strategie zur Bewahrung tropischer Lebensräume.

Alexander Moßbruckers Report über den ZGF-Elefantenschutz in der überwiegend kleinbäuerlichen Nachbarschaft des Nationalparks ist die vorsichtig optimistisch stimmende Botschaft zu entnehmen, daß Pratjes integraler Ansatz erste Früchte trägt. Die expandierende Besiedlung im südlich an den Nationalpark angrenzenden Terrain hat dazu geführt, daß Mensch und Dickhäuter sich immer häufiger begegnen. Obwohl kräftig dezimiert, genügt eine Herde der Waldelefanten Sumatras, um in einer zur Feldmahlzeit einladenden Nacht Kohorten von Bauern zu ruinieren. Daher begann die ZGF 2009 damit, mit einfachen Mitteln ein Frühwarnsystem zu installieren und die Herden mit GPS-Sendern auszustatten.

Wann immer sie sich jetzt einem Dorf nähern, warnt die Bewohner ein speziell eingerichtetes Kommunikationssystem. Die Bauern sind somit imstande, ihre Existenzgrundlage zu verteidigen. Das Überleben der Elefanten ist damit nicht garantiert, aber einen „sehr langen Atem“ vorausgesetzt, könnte die Kombination von Konfliktminimierung und Habitatschutz „den Elefanten eine echte Chance für die Zukunft“ bieten. (Gorilla. Mitgliedermagazin der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, 3/2014)

Foto: Sumatra-Orang-Utan mit Jungem: Die hohe Käfiganlage nahe am Wald mit seinen Gerüchen (r.) dient zur Auswilderung der Menschenaffen