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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Pegida teilt sich und schrumpft
Protestbewegung: Während in Dresden zu zwei Kundgebungen rund 2.500 Teilnehmer kommen, darf Legida nicht demonstrieren
Paul Leonhard, Dresden

Jetzt provozieren auch die Trittbrettfahrer: Die Dresdner Stadtreinigung mußte am Montag kurz vor Beginn der Pegida-Kundgebung vor der Frauenkirche 175 auf dem Platz ausgebreitete „Gebetsteppiche“entfernen. Mit dieser Aktion wollte der in Breslau und Mannheim lebende Mitbegründer der Grünen, Kurt Fleckenstein, „gegen die Thesen von Pediga“ polemisieren. Da wäre es gewiß ein „mediales Ereignis, wenn ein für Meinungsfreiheit, Offenheit und Pluralität“ werbendes Kunstwerk von der Müllabfuhr abtransportiert würde, betonte der 65jährige.

Pfarrer der Frauenkirche schaltet das Licht aus

Die Stadtverwaltung sah das anders. Sie ließ die Teppiche kurzerhand mit zwei Lastwagen abtransportieren. Eine ganz andere Art der „Installation“ hatte sich der Pfarrer der Frauenkirche ausgedacht. Sebastian Feydt ließ, ganz in der staatsnahen Tradition seiner Vorgänger, die Beleuchtung des den Platz dominierenden Gotteshauses abschalten, damit das Gebäude nicht „als Kulisse für ausländerfeindliche Kundgebungen instrumentalisiert wird“.

Gemeint war die Islamkritische Pegida-Bewegung. Deren Aufruf waren an diesem Tag, für die Organisationen sicher enttäuschend, statt der angemeldeten bis zu 5.000 lediglich rund 2.000 Teilnehmer gefolgt. Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen um Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann und dessen ausländerfeindliche Parolen auf Facebook wollte die Bewegung an den Ort zurückkehren, an dem sie im Oktober erstmals auf die Straße gegangen war, um für abendländische Werte einzutreten.

Da man den Sympathisanten eine „Menge zu erklären“ habe und die „Redebeiträge etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen“ würden, entschieden sich die Organisatoren für eine Kundgebung statt der sonst üblichen „Abendspaziergänge“. Überraschend für viele: Lutz Bachmann, der eigentlich seinen Rückzug verkündet hatte, eröffnete und leitete die Veranstaltung. Gastrednerin Tatjana Festerling, ein früheres Hamburger AfD-Mitglied, das im vergangenen Jahr durch die Teilnahme an der sogeannnten Hogesa-Demonstration in Köln mit der Partei aneinandergeraten war, kritisierte in deutlichen Worten, wie die Oberbürgermeister von Städten wie Dresden, Leipzig, Düsseldorf und Köln versuchen, Pegida zu diffamieren und mit Verboten zu belegen. In Leipzig werde dafür sogar die gewaltbereite Antifa genutzt. Von einem von den Linken „herbeigeprügelten“ Demonstrationsverbot sprach der Verleger Götz Kubitschek als zweiter Redner. Die Politik habe dem „linksradikalen Straßenterror“ nachgegeben. Bachmann, der unter anderem ein Grußwort Holocaust-Überlebender aus Hannover vorlas, kündigte weitere Abendspaziergänge an: „Wir machen weiter, es gibt keinen anderen Weg.“

Insgesamt hatte die Polizei am Montag in Dresden drei Veranstaltungen abzusichern, die alle störungsfrei verliefen. Das Bündnis „Dresden für alle“ mobilisierte unter dem Motto „Für eine weltoffene, tolerante und kunstvolle Stadt“ auf dem Postplatz bis zu 400 Personen. 631 Polizisten waren im Einsatz. Am Tag zuvor waren es 588, die die erste Versammlung der Initiative „Direkte Demokratie für Europa“ absicherten. 500 Menschen folgten dem Aufruf von Ex-Pegidasprecherin Kathrin Oertel (JF 7/15) und den anderen Aktivisten, die sich von Pegida getrennt hatten und „wieder ganz von vorne anfangen“ wollen. Angemeldet hatte man eine Kundgebung mit 5.000 Teilnehmern.

Verbot in Leipzig sorgt für Streit

Für heftigen politischen Streit in Sachsen sorgt die Entscheidung des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD), die für Montag angemeldete Legida-Demonstration zu verbieten, mehrere gegen Legida gerichtete Versammlungen aber zuzulassen. Jung hatte zuvor von einem „Polizeinotstand“ gesprochen und auf eine Einschätzung der Polizeidirektion Leipzig verwiesen, nach der es schon zuvor nicht gelungen sei, mit 2.000 Polizisten „Auseinandersetzungen zwischen Legida-Gegnern und anreisenden Teilnehmern von Legida zu unterbinden“. Und diesmal ständen nur 800 Polizisten zur Verfügung.Die Entscheidung Jungs sei „unverhältnismäßig, der Kräfteansatz der Polizei ausreichend“, hielt der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Hartmann, dagegen. Eine räumliche Trennung der Demonstrationszüge auf verschiedene Stadtteile oder die Beschränkung auf Kundgebungen seien einem Verbot vorzuziehen gewesen.

Von einer „Kapitulation des Rechtsstaates“ sprach der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Beide Seiten könnten offenbar gut mit dieser, politisch für das eigene Lager ausnutzbaren Situation leben, kommentierte die Gewerkschaft der Polizei schon vor dem Demonstrationsverbot: „Legida geriert sich als unterdrückte Protestbewegung gegen das mit unlauteren Mitteln spielende Establishment und die Stadt Leipzig ruft zur Gegenwehr auf.“ Die gegen Andersdenkende „Mobilmachenden“ wie der Leipziger OB sollten sich „wieder daran erinnern, was Rechtsstaatlichkeit auch im Unangenehmen bedeutet“, heißt es auf der Internetseite der Gewerkschaft. Die Beamten würden auf der Straße angegriffen, „weil der ‘Aufstand der Anständigen’ auch die ‘Allianz der Scheinheiligen’ im Schlepptau hat, die sich der militanten extremistischen Szene bedient, um das, was Herren in weißen Hemden und mit Krawatte nicht dürfen, in die Tat umzusetzen“.

Foto: Pegida-Kundgebung am Montag vor der Frauenkirche: Stadtreinigung sorgt vorher für Ordnung