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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Die Spaßpartei ist zurück
Bürgerschaftswahl: Mit großem Personal- und Marteialaufwand versucht die FDP, das Glück zu zwingen
Michael Johnschwager

In Hamburg will es die FDP noch einmal wissen. Seit knapp zwei Wochen ist im Straßenbild der Hansestadt das Konterfei der Hamburger Spitzenkandidatin nicht mehr zu übersehen. In der Schlußrunde eines von allen Parteien engagiert geführten Wahlkampfes haben die Elbliberalen zusätzliche Reserven lockergemacht, um sich in Szene zu setzen. Gebetsmühlenartig wirbt die attraktive Katja Suding für den liberalen Markenkern.

Mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner präsentiert sie sich häufig vorzugsweise wirtschaftlich relevanten Entscheidungsträgern als „Dream Team“, wenn auch für hanseatische Verhältnisse eine Spur zu glamourös. In ihren durchgestylten Auftritten sieht die Partei- und Fraktionsvorsitzende ihre FDP zuweilen sogar bei „fünf, sechs, sieben, acht Prozent!“ Die Botschaft hört so mancher liberale Wähler wohl, allein ihm fehlt der Glaube. Bekanntlich lassen sich Stimmen im Becken der Unentschlossenen fischen. Mit diesen, sowie mit den im Wahlkampf umworbenen Nichtwählern, aber auch bei Jungwählern (das Wahlalter wurde auf 16 Jahre gesenkt) hofft die Partei auf Unterstützunung, um den kühnen Vorgaben ihrer Landesvorsitzenden ein Stück näher zu kommen. Auf ein geteiltes Echo stößt Suding, als ein Hochglanzmagazin Fotos von ihr veröffentlicht, die eher auf eine Kandidatur als Model schließen lassen. Erinnerungen an die FDP als Spaßpartei werden wieder wach.

Bitter ernst, wenn nicht gar dogmatisch, kritisiert Suding – zuletzt auf dem Landesparteitag am vergangenen Wochenende – eine Senatsentscheidung von 2012. Damals geriet die Traditionsreederei Hapag Lloyd in Schieflage, und die Stadt wurde größter Anteilseigner. Unbeeindruckt von einem drohenden Verlust Tausender Arbeitsplätze, die ein gegenteiliger Entscheid unweigerlich nach sich gezogen hätte, steuerte sie ihre Fraktion auf unbeirrt marktradikalem Kurs.

Die junge Großstadtgeneration legt bei politischen Fragen andere Maßstäbe an. Bei den Yuppies versuchen die Liberalen zu punkten. Hier gerät auch heute nicht aus dem Blickfeld, woran man sich in der Vergangenheit bereits versuchte, nämlich die Elite auf seine Seite zu ziehen. So zeigt sich Lindner bei einer Veranstaltung von Unternehmensgründern und unterstreicht, daß Wirtschaftsliberalismus und Mut zum unternehmerischen Risiko auch für die neu aufgestellte FDP ein Herzensanliegen bleiben. Mit jugendlichem Charme und einer geschliffenen Rhetorik punktet Lindner bei Gründer-Initiativen, ebenso wie in Hotels erster Kategorie. Seine Zuhörer zollen Respekt und applaudieren dem FDP-Überflieger.

Welche Strategie verfolgt die FDP bei dieser zukunftsweisenden Wahl? Geriert sie sich als Interessenvertreter ihres überschaubaren Wählerpotentials in dem Kalkül, mit der Unterstützung dieser Zielgruppe die Fünfprozenthürde zu schaffen? Aktuelle Umfragen sehen die FDP auch nach dem 15. Februar weiterhin mit einer Fraktion im Hamburger Rathaus. Dort – und Suding betont dies stets – sieht sich die wirtschaftsnahe Partei in der Rolle des „Antreibers, damit unsere Stadt nicht verscholzt“. Eine Anspielung auf Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der seine absolute Mehrheit wohl verliert, auch wenn seine SPD in der jüngsten Umfrage zulegen konnte. Die liberale Frontfrau läßt keinen Zweifel daran, sich allzu gern mit dem eher unspektakulär daherkommenden, aber dennoch oder gerade deswegen beliebten Genossen Olaf gemeinsam auf einer rot-gelben Regierungsbank einrichten zu wollen. Scholz hingegen tendiert zu einer Koalition mit den Grünen.

Es liegt auf der Hand, daß wirtschaftliche Liberalität in der Handelsmetropole Hamburg traditionell einen hohen Stellenwert genießt. Deshalb zieht die Parteiprominenz, angeführt von Lindner, Suding sowie deren ausgedünntem Gefolge an Mitstreitern nun alle Register, um hier weiter einen Fuß in der Tür zu halten. In Abwandlung eines Merkel-Zitats: Stirbt die FDP in Hamburg, stirbt die FDP im Bund. Gelingt ihr jedoch der Wiedereinzug in die Bürgerschaft, so wird dies bundesweit als Signal gedeutet, daß die FDP sich auf gutem Wege befindet, das Tal der Tränen endlich hinter sich gelassen zu haben.

In der Vergangenheit haben sich Hamburgs Liberale mit nicht enden wollenden Profilneurosen und Eitelkeiten ihrer Galionsfiguren selbst ein Bein gestellt. Das führte im vergangenen Jahr zur Abspaltung und Gründung der Partei Neue Liberale. Sie grenzen sich von der FDP deutlich ab, indem sie soziale Positionen stärker betonen. In ihren Reihen befindet sich eine Anzahl im politischen Tagesgeschäft durchaus versierter Parteipolitiker, die beherzt den Sprung ins kalte Wasser wagen und – wenige Monate nach der Gründung – bereits zur Bürgerschaftswahl antreten.

Auf allen Ebenen sind sich die FDP-Mitglieder zumindest in einem Punkt einmal einig: Die Wahl zu Hamburgs Parlament Mitte Februar wird für ihre Partei bundesweit zur entscheidenden Schicksalswahl.