© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

CD-Kritik: Agostino Steffani
Barocke Machtfrau
Jens Knorr

Das Recycling barocker Einweg-Opern greift nun auch auf Agostino Steffani zu, dem Kunstbeflissenen spätestens seit Cecilia Bartolis (und Donna Leons) Steffani-Projekt ein Begriff. Seine 2008 unter Thomas Hengelbrock für die Schwetzinger Festspiele reanimierte „Niobe. Regina di Tebe“ war 2011 über den Großen Teich nach Boston gekommen, wo sie Paul O’Dette und Stephen Stubbs für das Boston Early Music Festival produziert, und 2013 wieder zurück, diesmal nach Bremen, wo die Bostoner ihre Fassung unter Einschluß in der Inszenierung gestrichener Teile für den Rundfunk eingespielt haben.

Die Aufnahme zeugt von hoher Qualität der amerikanischen Alte-Musik-Szene. Wie jede Barockoper steht – allen voran Philippe Jaroussky als zugkräftiger Star – und fällt auch diese mit den Sängern, deren Phantasie, ihre Partien auszugestalten, durchaus unterschiedlich entwickelt ist.

Der Stoff ist zwar dem Ovid entlehnt, das Libretto aber barocken Machtkonstellationen angepaßt: die Frau, die sich anmaßt, eigenständig Politik zu treiben, bestrafen die feudalen Götter an ihren Kindern. Weil, dem Hören nach zu urteilen, die Bostoner Fassung keinen aktuellen Bezug gewinnt, kann sie auch den historischen nicht halten. Die „Niobe“ des Geheimdiplomaten Steffani scheint ihr Geheimnis nicht ohne weiteres preisgeben zu wollen.

Agostino Steffani Niobe di Tebe Erato 2015 www.erato.com, www.bemf.org

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