© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Zeitschriftenkritik: Philosophie Magazin
Krisen als Wendepunkte
Werner Olles

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“, formulierte Friedrich Nietzsche einst. Doch woran entscheidet sich, ob wir an Schicksalsschlägen scheitern oder reifen? Machen Krisen kreativer? Ermöglichen allein sie wahre Selbstfindung, oder ist nicht bereits das menschliche Dasein eine einzige Krise? Mit dem Problem der Krisen als Wendepunkten unserer Existenz befaßt sich das zweimonatlich erscheinende Philosophie Magazin im Schwerpunktthema seiner aktuellen Ausgabe (2/2015, Februar/März). Ob jedoch ein Leben ohne Krise überhaupt erstrebenswert ist, beantworteten selbst große Philosophen und Denker recht unterschiedlich. So liegt für Epikur das Glück allein in unserer Befreiung von Furcht, Begierde und Schmerz, während Søren Kierkegaard der Meinung war, daß sich erst in der Krise die eigentliche Bestimmung des menschlichen Seins zeige. Auch darüber, ob man in der Krise sein wahres Selbst erkenne, gehen die Ansichten auseinander. Für Seneca findet der Mensch nur in der Seelenruhe zu sich selbst, Karl Jaspers lehrte hingegen, daß das wahre Selbst sich vor allem in Grenzsituationen zeigt. Ob uns Krisen kreativ machen, wird ebenfalls verschieden gesehen. Freud bejahte die Frage, da der innere Mangel die Triebkraft der Kreativität sei, während Goethe sie verneinte, da jegliche Inspiration primär aus der Außenwelt komme.

Thematisiert werden auch die Krisen moderner Gesellschaften wie die Euro-Krise oder der wachsende Widerspruch gegen die unkontrollierte Zuwanderung. So kommt der Politologe Wolfgang Streeck zu dem Schluß, daß der „Europatraum der Generation Habermas“ sich schon bald rächen könnte. Die Eurorettung ziele darauf ab, einen Staatsbankrott unmöglich zu machen. Dadurch würden die Staatshaushalte der demokratischen Kontrolle entzogen und die Regeln nicht an den Bedürfnissen der Bürger, sondern an denen der Finanzmärkte ausgerichtet. Als Ergebnis sei der Nationalismus europaweit wieder auf dem Vormarsch. Den Traum der Generation Habermas von einem Europa als entnationalisierter, universalistischer Verfassungseinheit nehme eine neue Generation Deutscher als „Verengung“ wahr. Gegen den moralischen und politischen Druck, sich nur noch europäisch und nicht mehr auch deutsch fühlen zu sollen, werde daher zunehmend rebelliert, zumal auffalle, daß Italiener, Franzosen oder Spanier sehr wohl auf ihrer jeweiligen Nationalität insistierten.

Ein Beitrag des Chefredakteurs Wolfram Eilenberger befaßt sich mit den Pegida-Demonstrationen. Zwar unterläßt er pauschale Diffamierungen, doch greift seine Analyse der Bewegungen des „Typs Pegida“, diese bestünden in der Mehrzahl aus „ältlichen Männern, die sich in Sachen Mobilität als abgehängt erfahren“, viel zu kurz. Tatsächlich richtet sich der Protest gegen eine konkrete Überforderung und Zumutung, der sich die Bürger durch die politische und mediale Klasse ausgeliefert sehen, und ist somit ein sozialer Protest aus der Mitte der Gesellschaft.

Kontakt: Philomagazinverlag, Brunnenstr. 143, 10115 Berlin. Tel.: 030 / 6 09 85 82 15. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 36 Euro. www.philomag.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen