© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Die Polizei auf der Anklagebank
Kriminalität: Eine Studie einer Beratungorganisation für die Opfer „rechter“ Gewalt arbeitet mit Verallgemeinerungen und Unterstellungen
Lion Edler

Was auf den ersten Blick banal klingt, ist aus Sicht der Thüringer Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt „ezra“ schon Teil des Problems. „Die Polizei kommt, wenn gerufen, meist relativ zügig, manchmal aber auch erst sehr spät oder gar nicht“, heißt es mit Blick auf die von der Einrichtung herausgegebene Studie zu den Erfahrungen von Betroffenen rechter Gewalt mit der Polizei. „Das polizeiliche Handeln in der Tatsituation ist aus Sicht der Betroffenen häufig sehr problematisch“, mahnen die Autoren weiter.

An prominenter Aufmerksamkeit mangelt es der aktuellen ezra-Studie jedenfalls nicht. Die Untersuchung, kann sich über Grußworte von Thüringens früherer Sozial- und jetzigen Finanzministerin Heike Taubert (SPD) und der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, freuen. Es ist dabei erstaunlich, wie unkritisch sich Taubert und Junkermann gegenüber der Studie verhalten – denn das Dossier mit dem Titel „Die haben uns nicht ernstgenommen“ enthält massive Unterstellungen gegen Polizei und Gesellschaft.

Obwohl die Datenbasis mit 44 Befragten denkbar schmal ist, geht es schon im Grußwort mit den Vorwürfen los: Die Studie halte „uns als Gesellschaft einen Spiegel vor“, behauptet Junkermann, denn sie belege „das erschreckende Ausmaß rechtsextremer Gewalt mitten unter uns“. Rechtsextreme Gewalttaten sieht Junkermann also offenbar nicht als Kriminalität kleiner Randgruppen.

Zahlreiche unbelegte Vorwürfe

Die wichtigsten Zahlen der Studie: 47 Prozent der Opfer fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen, 41 Prozent haben keinen Grund zur Klage („teils/teils“: neun Prozent). 41 Prozent sagten aus, daß die Polizeibeamten ohne Vorurteile auf die Betroffenen zugegangen sein – 34 Prozent verneinten dies (12 Prozent „teils/teils“). 56 Prozent der Befragten warfen der Polizei vor, das politische Motiv der Tat ignoriert zu haben.

Ausführlich rekapituliert die Studie die polizeilichen Fehler während der Ermittlungen zur mutmaßlichen Terrorgruppe NSU. Natürlich darf dabei die Unterstellung nicht fehlen, „weite Teile der Ermittlungsbehörden“ hätten sich „als auf dem rechten Auge blind“ erwiesen. Dabei kommt den Autoren Matthias Quent, Daniel Geschke und Eric Peinelt wohl nicht in den Sinn, daß es zum fraglichen Zeitpunkt angesichts der bisherigen Erfahrungen von Polizisten schlichtweg nicht wahrscheinlich war, daß es sich um eine rechtsextreme Mordserie handelte. Stattdessen erheben sie den Vorwurf, „polizeilicher Rassismus“ würde „als ‘Einzelfälle’ bagatellisiert“ werden. Doch was „im Umgang mit Opfern rechter Gewalt zu verbessern wäre“, sei keine Ansammlung von „Einzelfällen“, sondern „eher die Regel“.

Weiterhin heißt es in der Studie, „nicht nur rechte Gewalttäter_innen“ seien „gruppenbezogen menschenfeindlich“, sondern über 50 Prozent der Bevölkerung würden auch „abwertenden Aussagen gegenüber Sinti und Roma“ zustimmen. „Bis zu drei Viertel“ werteten Asylbewerber“ ab. Den in der Gesellschaft vorhandenen „Ungleichwertigkeitsideologien“ liege die generelle Vorstellung zugrunde, „daß Ungleichwertigkeit von Gruppen die Gesellschaft bestimmt und dies auch gut so ist“.

Kritik an Medien, Politikern und Parteien

Bemerkenswert ist auch eine andere Aussage über rechte Gewalttäter: „Weil die Täter das Gleichstellungs-ideal von Mitgliedern der Gesellschaft verletzen, gefährden sie demokratische Gesellschaften und spalten Gemeinschaften.“ Die Täter werden also nicht etwa deshalb als Gefährdung der Zivilisation angesehen, weil sie das Ideal der Gleichwertigkeit von Menschen verletzen, sondern das „Gleichstellungsideal“. Hier wird linkes Gedankengut als das einzig Akzeptable dargestellt.

Die Studie berichtet von einem Schwarzen, der aus rassistischen Motiven zusammengeschlagen wurde, wobei die Täter ihm vorgeworfen hatten, daß das Opfer auf Kosten der Bevölkerung lebe. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, daß etablierte Medien, Politiker und Parteien die Angst vor „Wirtschaftsflüchtlingen“ und „Armutsmigration“ (in der Studie mit Anführungsstrichen versehen) schüren würden. Die Debatte um die „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ (wiederum Anführungsstriche) sei „für rechte Parteien und Gewalttäter anschlußfähig“. Wenn die Studie dann noch behauptet, die Gutscheinpraxis für Asylsuchende oder die Residenzpflicht würden die „Abwertung“ von Asylanten befördern, kann von Objektivität kaum noch gesprochen werden.

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