© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Neuer Beginn oder Anfang vom Ende
Demonstrationen: Nach ihrer Spaltung versucht sich die Pegida-Bewegung in Dresden neu zu formieren
Christian Schreiber

Zumindest auf ihrer Facebook-Seite ist die Welt für die Pegida-Anhänger noch in Ordnung. In einem Video präsentieren sich Vereinsgründer Lutz Bachmann und seine Mitstreiterin Katrin Oertel (Interview auf Seite 3) Seit’ an Seit’. Doch die Gegenwart sieht alles andere als rosig aus. Die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes haben sich gespalten.

Hintergrund ist der Streit um den vermeintlichen Rückzug Bachmanns. Der vorbestrafte Pegida-Gründer war im Internet gegenüber Ausländern ausfällig geworden, zudem tauchte ein Foto von ihm auf, auf dem er Adolf Hitler imitierte. Bachmann erklärte zwar offiziell seinen Rücktritt vom Vorsitz des eingetragenen Vereins, wollte aber im Hintergrund immer noch die Strippen ziehen. Für Oertel und Co. ein Unding: „Wir haben beschlossen, weiterzumachen“, hatte der ehemalige Pegida-Mitorganisator Bernd-Volker Lincke vergangene Woche angekündigt. Neben Oertel und dem Wirtschaftsberater Lincke hatten auch der zweite Vorsitzende des Pegida-Vereins, René Jahn, das AfD-Mitglied Achim Exner und der ehemalige CDU-Stadtrat von Meißen, Thomas Tallacker, ihren Rück- und Austritt erklärt.

Politikwissenschaftler Patzelt legt Studie vor

Am Montag präsentierte Oertel dann ihre neue Gruppierung „Direkte Demokratie für Europa“. Der Verein will für Volksentscheide eintreten und sich zu Fragen von Einwanderung und Asyl äußern. „Wir werden ein bürgernaher, konservativer Verein sein und uns rechts von der CDU positionieren“, sagte Oertel auf einer Pressekonferenz in Dresden, auf der sie klarstellte, der Rückzug habe mit Unstimmigkeiten über den Umgang mit Legida in Leipzig sowie mit „Meinungsverschiedenheiten über den Verbleib Lutz Bachmanns im Orgateam“ zu tun: „Wir haben die Abstimmung verloren und uns sofort zurückgezogen.“

Für Sonntag haben Oertel und ihre Mitstreiter eine erste Demonstration in Dresden angemeldet. Pegida mobilisierte Anfang Januar bis zu 25.000 Menschen zu ihren Spaziergängen. Auch der Leipziger Ableger schaffte es teilweise, mehr als 10.000 Anhänger auf die Straße zu bekommen. Bedingt durch die Spaltung verzichteten beide Gruppen auf ihre Kundgebung am vergangenen Montag. Der Rest-Vorstand der Pegida hat sich in den vergangenen Tagen mit Verlautbarungen zurückgehalten und lediglich angekündigt, am kommenden Montag wieder auf die Straße gehen zu wollen: „Bis dahin ist ein neuer Vorstand gewählt, und wir sind sicher, daß der neue Vorstand Pegida auf Kurs hält. Auch wenn Kathrin Oertel, Lutz Bachmann und René Jahn nicht mehr für den Vereinsvorstand zur Verfügung stehen, so läßt sich die Bewegung dadurch nicht stoppen. Es geht nicht um Personen, es geht um unsere Sache“, heißt es auf der Facebook-Seite.

Wie viele Personen sich den jeweiligen Demonstrationen anschließen werden, ist völlig unklar. Oertel und ihre Mitstreiter gehen von „rund 5.000“ aus, die Rest-Pegida wollte keine Angaben zu Zahlen machen. Das Netzwerk der Islamkritiker versuchte die Irritationen um die Dresdner Gründungszelle zu nutzen, um weitere Ableger zu gründen und an anderen Orten für Mobilisierung zu sorgen. Doch dies gelang nicht einmal in Ansätzen. In Leipzig versammelten sich am vergangenen Wochenende nur noch 1.500 Legida-Anhänger, am vergangenen Montag kamen in Chemnitz bei der dortigen Debüt-Veranstaltung noch etwa 600 Aktivisten zusammen. „Pegida scheint am Anfang des Endes angekommen zu sein“, schreibt der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt in einer Studie über die Pegida-Anhänger, die er zu Wochenbeginn vorstellte. Der Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaften an der TU Dresden hatte dafür die Demonstration am 25. Januar besucht und mit rund 290 Personen Interviews geführt. Dabei sei es weniger um die Frage gegangen, wer demonstriert, sondern viel eher, was die Menschen motiviert habe, auf die Straße zu gehen. Interessant sei aber gewesen, daß bei den Demonstrationen eine gewisse Fluktuation geherrscht habe. Rund 38 Prozent der Befragten seien zum ersten Mal bei Pegida mitspaziert, an allen 13 Demonstrationen hätten nur drei Prozent teilgenommen.

Auffallendes Merkmal der Demonstranten sei gewesen, daß sie sich überwiegend mißverstanden fühlten und es keine Partei gebe, die ihre Anliegen repräsentieren würde. Mehr als 60 Prozent der Demonstranten positionierten sich demnach in der Mitte, als „ganz rechts“ wollten sich nur rund vier Prozent einordnen. Bei der Frage nach der Parteipräferenz schnitt die AfD zwar verhältnismäßig gut ab, mehr als die Hälfte der Befragten gab aber an, „keiner Partei zu vertrauen“.

Obwohl Pegida eine relative junge Bewegung ist – der Altersdurchschnitt der „Spaziergänger“ lag bei etwa 45 Jahren – haben 40 Prozent angegeben, sich bereits 1989 an den Montagsdemonstrationen beteiligt zu haben. Das Motto „Wir sind das Volk“ habe daher eine besondere Bedeutung. Gerade weil er Pegida auf dem absteigenden Ast sieht, zieht Politikwissenschaftler Patzelt ein bitteres Fazit. „Angesichts dieser inneren Stimmungslage vieler Pegida-Anhänger läßt sich leicht vorhersagen: Laufen diese Demonstrationen aus, ohne daß irgend etwas Benennbares erreicht wurde, so wird das bei Tausenden und noch mehr viel Enttäuschung, Bitternis und innere Kündigung gegenüber unserer Demokratie zeitigen, als derlei jetzt schon zu erkennen ist“, lautet das Fazit des Politikwissenschaftlers.

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