© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Jörn Kruse. Der Ökonom führt die AfD in ihren ersten Landtagswahlkampf im Westen
Der Reformer
Marcus Schmidt

Jörn Kruse hat es nicht leicht. Der joviale Wirtschaftswissenschaftler muß den Hamburger Landesverband der AfD in die erste Wahl nach den Triumphen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg führen. Und das unter erschwerten Bedingungen: Der wochenlange öffentlich ausgetragene Führungsstreit in der Partei und die Diskussion über das Verhältnis zur Pegida-Bewegung sind keine idealen Voraussetzungen für einen Erfolg bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar, fürchtet Spitzenkandidat Kruse.

Denn eigentlich sollte der AfD-Wahlkampf in der Hansestadt ganz anders laufen. „Um Hamburger Wähler zu kämpfen, bedeutet etwas anderes als um Protestwähler in Sachsen und Brandenburg“, machte Kruse am Wochenende auf dem Parteitag in Bremen deutlich. Themen wie Grenzkriminalität und Asylpolitik, mit denen die AfD in Mitteldeutschland erfolgreich ist, ziehen in der liberalen Elbmetropole nicht im gleichen Maße. An ihnen kommt Kruse aber nicht vorbei. „Im Straßenwahlkampf werde ich zwölfmal am Tag auf Pegida angesprochen“, stöhnt er.

Der im holsteinischen Eutin geborene 66jährige ist kein Volkstribun. Doch seine unaufgeregte sachliche Art paßt gut nach Hamburg, wo politische Schreihälse selten Gehör finden. Kruse, der bis zu seiner Emeritierung 2013 am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität der Bundeswehr in Hamburg lehrte, hat die Unzufriedenheit mit der Euro-Politik in die AfD geführt. Im Wahlkampf würde er gerne noch mit einem anderen Thema punkten: Er will die AfD als Partei für Demokratie und Demokratiereform positionieren.

Nach seinen Vorstellungen könnten die Wähler künftig ihr Kreuz nicht mehr nur bei einer Partei machen. Sie sollen zudem einen größeren Einfluß auf die politische Themensetzung erhalten. Auch wünscht er sich neben den bisherigen Parlamenten einen „zweiten Legitimationsstrang“. Hierfür schlägt Kruse vor, einen weitgehend von den Parteien unabhängigen „Bürgersenat“ zu bilden. Alle diese Vorschläge, für die er schon als Hochschullehrer Konzepte ausgearbeitet hat, zielen darauf, die Macht und den Einfluß der Parteien einzuschränken.

Doch dazu muß Kruse – der nach eigenem Bekunden nie geplant hat nach seiner aktiven Zeit als Student in der SPD, die er 1993 verließ, noch einmal einer Partei beizutreten – erst einmal mit seiner AfD die Fünfprozenthürde überspringen. Zu schaffen machen derzeit vor allem die Zerstörungsorgien von Linksextremisten gegen Wahlplakate und die Angriffe auf Wohnungen von AfD-Kandidaten. Kruse ist ob der Attacken fassungslos. Fast noch mehr empört ihn aber das Schweigen der anderen Parteien.

In den Umfragen liegt seine Truppe dennoch bei sechs Prozent. Ein Ergebnis, mit dem Kruse leben könnte. „Wenn es am Ende sogar sieben Prozent werden“, kündigt er an, „dann mache ich zwei Flaschen Sekt auf!“

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