© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Luckes Bewährungsprobe
Parteitag: Seit Bremen ist das Überleben der AfD gesichert – aber nicht garantiert
Marcus Schmidt

Ausgerechnet ein Zitat von Helmut Kohl beschreibt den Zustand der AfD nach ihrem Parteitag in Bremen am vergangenen Wochenende ziemlich treffend. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, hatte der Altkanzler einst seinen zahlreichen Kritikern beschieden.

Dieser Satz paßt doppelt auf die AfD. Zum einen taugt er als Bilanz: Unter dem Strich können die Euro-Kritiker ihren Parteitag als Erfolg verbuchen. Trotz der quälenden Auseinandersetzungen über die künftige Führungsspitze in den vergangenen Wochen kann die Partei eine Ergebnis vorweisen. Die Mitglieder haben mehrheitlich für eine neue Satzung gestimmt und damit festgelegt, daß Bernd Lucke die Partei ab Dezember aller Voraussicht nach allein führen wird. Wie nahe die Partei in Bremen dennoch vor dem Scheitern stand, wurde allen Beteiligten am Sonnabend kurz vor 21 Uhr schlagartig klar. Hätte der Satzungsentwurf bei der entscheidenden Schlußabstimmung nur einige Stimmen weniger erhalten, wäre die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt worden. Der Parteitag hätte im Desaster geendet und die AfD vor einem Scherbenhaufen gestanden. So aber überlagert das Endergebnis auch in der Berichterstattung der meisten Medien die mitunter äußerst kontroversen und leidenschaftlich geführten Debatten in Bremen.

Gleichzeitig kann das Kohl-Zitat als eine Mahnung an die Parteispitze und insbesondere an Bernd Lucke verstanden werden. Auch wenn Lucke sich mit seinen Vorstellungen auf ganzer Linie durchgesetzt hat – gewonnen ist für ihn durch die Entscheidungen vom Wochenende noch nichts, und für die Partei erst wenig. Lucke steht vielmehr vor der wohl größten Herausforderung seiner noch jungen Politikerkarriere. Er muß ab sofort nicht nur beweisen, daß er die AfD allein führen kann. Dabei muß er auch zeigen, daß er die gesamte Themenbreite seiner Partei vom wirtschaftsliberalen Flügel eines Hans-Olaf Henkel bis hin zu den Nationalkonservativen um Alexander Gauland mit Leidenschaft und Überzeugung in den Talkshows vertreten kann. Nicht alle in der Partei trauen ihm das zu. Manch einer zweifelt sogar daran, daß Lucke dies überhaupt will. Allen voran Parteivize Gauland hatte seine Ablehnung der Einerspitze immer wieder mit der Befürchtung begründet, Lucke werde seine Machtfülle nutzen, um die AfD wieder auf den ursprünglichen Kurs einer in erster Linie Euro-kritischen Partei zu bringen.

Lucke bestreitet das. Und in der Tat hat er etwa im Zusammenhang mit der Pegida-Bewegung zu erkennen gegeben, daß er durchaus Themen und Positionen zu seinen eigenen machen kann, für die es in der Partei eine breite Strömung gibt, die aber nicht hundertprozentig seinen Vorstellungen entsprechen. Parteifreunde, die Lucke gut kennen, zweifeln etwa daran, daß er tatsächlich Verständnis für die Pegida-Teilnehmer hat. Eigentlich sei ihm diese Bewegung dem Wesen nach fremd. Dennoch hat Lucke die von Gauland, Frauke Petry und Konrad Adam zeitweise betriebene vorsichtige – und nicht ungefährliche – Annäherung an Pegida mitgetragen. Gleiches gilt für die Frage nach dem Verhältnis zu Rußland. Auch hier ist Lucke mehr auf die „Putinversteher“ zugegangen (JF 38/14), als es seiner transatlantischen Prägung entspricht.

Am Ende wird auch entscheidend sein, ob es der Führungsspitze insgesamt gelingt, sich auch bei kontroversen Themen künftig abzustimmen und mit einer Stimme zu sprechen. Hier werden insbesondere Petry und Gauland, aber auch Henkel gefordert sein, von denen Lucke erwarten darf, daß sie im Zweifelsfall nicht ohne Absprache vorpreschen.

Einer Illusion sollte sich Bernd Lucke aber nicht mehr hingeben: daß er in der AfD alternativlos ist. Frauke Petry hat mit ihren engagierten und doch kontrollierten Auftritten in Bremen gezeigt, daß sie jederzeit als Retterin in der Not die Führung der Partei übernehmen könnte. Zwar hat Petry wiederholt glaubhaft versichert, sie werde nicht gegen Lucke antreten. Doch dies gilt nach den Regeln des politischen Geschäfts nur, solange Lucke eine glückliche Hand beweist.

Die Voraussetzungen für einen künftigen Erfolg wurden in Bremen jedenfalls gelegt. Die neue straffere Führungsstruktur verspricht der AfD mehr Durchschlagskraft im politischen Tagesgeschäft und mehr Stringenz in den inhaltlichen Positionen. Gerade der neu geschaffene Posten des Generalsekretärs ermöglicht schnellere Reaktionen auf politische Entwicklungen. Aber auch hier hängt es an Lucke, ob das Ergebnis am Ende „stimmt“. Manche in der Partei zweifeln etwa daran, daß Lucke tatsächlich an einem General an seiner Seite gelegen sei, der wie einst etwa Heiner Geißler für die CDU, mit eigenem politischem Kopf ausgestattet, dem politischen Gegner kräftig zusetzen kann. Dem AfD-Chef, so wird befürchtet, sei dagegen vielmehr an einem Sekretär gelegen, der sich eng an Vorgaben zu halten habe und mehr als Statthalter für den in Brüssel weilenden Parteivorsitzenden wirken solle.

Für die AfD ist mit der Entscheidung über die neue Satzung die Gründungsphase zu Ende gegangen. Normalität kehrt ein. Gleichzeitig hat Bremen gezeigt, wie robust die junge Partei ist. Wer weiß, wie erbittert hinter den Kulissen der Kampf um die künftige Führungsstruktur ausgetragen wurde, reibt sich verwundert die Augen, wie schnell die Entscheidungen des Parteitages auch von erbitterten Gegner der neuen Satzung akzeptiert worden sind. Nur eine radikale Minderheit unter den Mitgliedern scheint zur Fundamental-opposition entschlossen. Für die politischen Gegner der AfD sind das keine guten Nachrichten.

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