© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Warnung vor der Kyrillisierung Europas: Völlig unberechtigt
Eher droht globaler Einheitsbrei
(wk)

Mit dem EU-Beitritt Bulgariens hielt neben dem griechischen auch das kyrillische Alphabet in der Union Einzug – für den Normalbürger am ehesten an der Aufschrift auf den neuen Fünf- und Zehn-Euro-Scheinen ersichtlich. Dies bezeichnete man in Sofia als „einen spezifisch bulgarischen Beitrag zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt“ der Gemeinschaft. Dagegen fabulierten einige deutsche Medien vom Beginn der „Kyrillisierung Europas“, was den renommierten Leipziger Slawisten Hilmar Walter zu einer Replik auf derartige Verdachtsmomente veranlaßte, in der er darauf hinwies, daß die Integration von Ländern wie Bulgarien nur gelingen könne, wenn man deren durchaus beachtliches, christlich-orthodoxes Kulturerbe nicht als Zumutung empfinde (Kultursoziologie, 3/2014). Außerdem bemühe sich Bulgarien auch um eine Anpassung an die sprachlichen Gegebenheiten Mittel- und Westeuropas, zum Beispiel durch den verstärkten Gebrauch des Englischen, womit es de facto schon den Weg zu einer „bilingualen Nation“ eingeschlagen habe, dessen Richtigkeit allerdings höchst fraglich sei. Jedenfalls drohe keine „Kyrillisierung“ der EU, sondern das Untergehen der bulgarischen Kultur im Brei einer globalisierten Einheitskultur, welche weniger den Menschen nütze als den Interessen von Politik und Wirtschaft.

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