© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Grüße aus Rom
Ciao, Anita, ruhe sanft!
Paola Bernard

Über der Fontana di Trevi, dem Trevi-Brunnen, weht dieser Tage ein weißes Banner mit der Aufschrift „Ciao Anita“ im Wind. Die Massen der jungen Touristen, die den schönsten, größten und populärsten Brunnen Roms wie besessen fotografieren, können sich keinen Reim darauf machen. Nur diejenigen unter den Besuchern, die bereits drei Tage über achtzehn sind, nicken wissend und denken mit Wehmut an „ La dolce vita“ zurück, als die strahlend-schöne, blonde Schwedin Anita Ekberg in schulterfreiem schwarzen Abendkleid des Nachts ihrem Filmpartner Marcello Mastroianni, im spätbarocken Brunnen badend, verlangend die Arme entgegenstreckte. Generationen von Rom-Hungrigen fühlten sich immer wieder versucht, diese Szene in Farbe nachzuahmen; die Carabinieri mußten einschreiten und sie aus dem Bassin ziehen.

Kein Glamour beim Abschied – auch bekannte Gesichter aus der Filmwelt fehlten.

Regisseur Federico Fellini drehte 1959 dieses Meisterwerk der Filmgeschichte in der legendären Cinecittà. Sie wurde 1937 gegründet unter dem lichtspielbegeisterten Mussolini und ist heute die größte Filmstadt Europas. Doch Rom ist fast pleite. Die Monumente bröckeln, die Kürzungen werden immer drastischer und dramatischer. Immer wieder gab es Appelle. Doch die Lichter des legendären Hollywood am Tiber drohten jetzt endgültig auszugehen. Da sprang der Genfer Juwelier Chopard als Sponsor ein. Auf drei Jahre ist das Sponsoring angelegt.

Welch grausame Ironie des Schicksals: Während sich in der Cinecittà Stars und Starlets ein üppiges Fest mit Sponsorengeldern gönnten, die großen Filmszenen Revue passieren ließen und wieder die magische Szene aus „La dolce vita“ mit der herrlichen Schwedin die Besucher in den Bann zog – da starb fast zu gleicher Zeit Anita Ekberg im Alter von 83 Jahren vergessen und verarmt in einem Krankenhaus unweit von Rom.

Fellini ist längst tot, und auch Marcello Mastroianni starb 1996 in Paris an Krebs. Damals trauerte und schluchzte Rom über den Verlust dieses Schauspielers auf eigene Weise: Der Trevi-Brunnen wurde verhüllt, und weiße Rosen schwammen im Becken. Nun nahmen Freunde und Verwandte in der deutschen lutherischen Christuskirche Abschied von der Filmdiva. Kein Glamour – und bekannte Gesichter aus der Filmwelt fehlten. Nur die weiße Fahne über dem Trevi-Brunnen erinnert noch an die große Ekberg. Kinofans hängen eben an der Illusion, Wirklichkeit brauchen sie nicht.

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